Verzichten würd ich echt nur ungern. Ich hab mich schon viel zu sehr damit beschäftigt und bin eigentlich schon voller Vorfreude.
Ich hoffe das versteht hier niemand falsch aber seitdem ich Kinder habe, musste ich auf nahezu alles was mich entspannt oder mir Freude gemacht hat, verzichten. Ich liebe meine Kinder zweifelsfrei aber die Zeit mit ihnen hat auch Narben hinerlassen. So wie meine Arbeit ist auch meine Familie ein Grund warum ich den Camino gehen möchte.
LG Christian
Hallo Christian,
wie Du sehr eindrücklich schreibst, sind es in vielen Fällen die gleichen Umstände die Dich auf den Weg schicken wollen auch die, die Dich daran hindern zu gehen. Das kann im beruflichen und familiären Bereich sein.
Ich selbst empfinde es auch so, dass ich immer etwa eine Woche brauche, bis ich wirklich auf dem Weg angekommen bin - körperlich und noch viel mehr mit der Seele. Wenn dann im Anschluss nur noch eine weitere Woche auf dem Camino käme, wäre es wirklich so, dass man aufhört, wenn es gerade angefangen hat, richtig schön zu werden.
Auf meinem letzten Camino habe ich einen jungen Mann kennengelernt, der zuhause seine Frau und drei Jungs in dem Alter Deiner Kinder zurück gelassen hatte. Er hatte es geschafft zur Entlastung seiner Frau ein regelrechtes Netzwerk für diese vier Wochen zu flechten. Es war ihm gelungen Omas und Opas, seine Geschwister und ein paar Freunde soweit einzuspannen, dass z.B. in der einen Woche zwei Leute die Wäsche übernommen haben, in der nächsten Woche sind Andere eingesprungen. Wieder andere haben eine Art Ferienprogramm für die Kinder und einen Wohlfühltag für seine Frau organisiert usw. Er hatte etwa 10 Leute mobilisieren können, die seine Frau soweit entlastet haben, dass sie seiner Pilgerreise letztendlich zugestimmt hat. Das hat mich sehr beeindruckt.
Er sagte sinngemäß "ich musste da einfach mal raus, nur was für mich tun, nicht Mann und Papa sein, sondern endlich mal wieder einfach nur ich". Trotzdem ist ihm die Trennung sehr schwer gefallen, besonders die Telefonate mit den Kindern haben ihn immer sehr mitgenommen.
Wir trennten uns nach 6 Tagen, ich knickte in Leon auf den Camino Salvador ab und er lief weiter nach Santiago. Danach hat er richtig Gas gegeben und ist teilweise über 40 km am Tag gelaufen - er wollte sich, wie er sagte, einfach mal wieder selber spüren. Als Nebeneffekt ist er dann ein paar Tage früher in Santiago angekommen und auch eher als geplant nach Hause geflogen.
Ich selbst bin in St. Jean gestartet und habe für die Strecke Pamplona-Santiago 28 Tage gebraucht bei einem Tagesschnitt von 26 Kilometern. Da gab es natürlich Tage mit 22 KM, aber auch, besonders in der flachen Meseta welche mit 34 KM.
Wie sieht es denn mit der Ansammlung von Überstunden aus. Oft muss ja der Urlaub zwingend zum Jahresende genommen sein, bei den Überstunden sind diese Grenzen häufig nicht so strickt. Könntest Du bis dahin noch einige freie Tage erwirtschaften?
Wenn Du Deine Pilgerwanderung vielleicht in den Herbst legst, könntest Du noch den Nationalfeiertag und/oder Allerheiligen mit einbauen und Dir so zwei Urlaubstage sparen. Die Kinder wären in dieser Zeit weitgehend in der Schule und müssten dann auch nicht den ganzen Tag von Deiner Frau "bespasst" werden.
Vielleicht sind das ja ein paar Anregungen, die Dir auf Deine/Eure Situation übertragen bisher noch nicht bedachte Möglichkeiten eröffnen.
LG
Michael
Der Camino-Kumpane