Liebe S...!
Worum geht's eigentlich, warum pilgern? Heute fällt man allzu leicht in einen Trott, der aus Karriere, Geld verdienen und Konsum besteht. Mitmenschlichkeit, vor allem aber die wichtigen Grundfragen (Woher komme ich, wohin gehe ich, wozu bin ich hier?) kommen da gerne zu kurz. Viele Menschen werden davon körperlich oder seelisch krank: es muss doch mehr geben als Karriere, Geld und Konsum.
Eine Pilgerreise kann hier unglaublich helfen: Sie reißt einen aus dem Alltagstrott und gibt einem erst einmal ZEIT zum Nachdenken. Sie bereichert einen durch Erlebnisse und Gespräche. Sie erzeugt bei vielen Pilgern ein Grundvertrauen, ein Gefühl des Aufgehobenseins, weil sich auf einer Pilgerreise viele Probleme in den Weg stellen (es regnet, ich bin nass, wo werde ich heute schlafen, wo bekomme ich etwas zu essen, und wo ist schon wieder der Camino?) - Probleme, die sich erfahrungsgemäß alle lösen, oft auf überraschende Weise. Man lernt, wie sehr man von anderen abhängig ist, aber man bekommt letztlich immer was man braucht und kann auch oft anderen etwas geben.
Dazu kommt, dass man sich viel in der Natur bewegt - einer Natur, die uns erdet, und der wir uns als Gesellschaft viel zu sehr entfremdet haben.
Wenn man sich darauf einläßt, kann man erstaunliche Erfahrungen machen, mit Unterkünften auf Spendenbasis ("Gib wenn Du kannst oder nimm wenn Du brauchst"), mit Vollzeitpilgern (Obdachlosen, die auf Pilgerwegen ein würdevolleres Leben führen als sie es in einer Stadt könnten), mit den vermutlich keltischen Ursprüngen des Jakobswegs. Man ist "Nomade auf Zeit", was an und für sich schon eine archaische und bereichernde Erfahrung ist.
Wenn man sich nicht mit sehr viel Gepäck abschleppen will, wird man minimalistisch: Man merkt, was man alles NICHT braucht. So gesehen eine Kampfansage an die Konsumgesellschaft.
Und in diesem Umfeld ist es auch tatsächlich einfacher, den oben angesprochenen Grundfragen näherzukommen...
Tja, wenn ich im Forum jemandem helfen kann, sich eine Pilgerreise zuzutrauen: Her mit den Fragen!
Fangt klein an, mit einem einfachen Camino wie dem Camino Frances (ideale Infrastruktur, leicht zu finden) und kleinen Tagesetappen (damit Ihr nicht gleich üble Blasen oder Probleme mit Muskeln, Sehnen und Gelenken bekommt).
Tastet Euch vorsichtig an Eure Grenzen, an längere Etappen und schwierigere Caminos. Entwickelt Vertrauen in den Weg und auch in Eure Fähigkeiten.
Überlegt Euch, den Camino Frances im Frühling oder Herbst zu machen, nicht im Hochsommer in oft gnadenloser Hitze und mit überfüllten Herbergen.
Tja, tut mir leid dass ich mit der Empfehlung meines Buches mit der Tür ins Haus gefallen bin. Bitte entschuldige meine Aufdringlichkeit. Aber genau um diese Themen kreist eben auch das Buch...
Buen Camino!