Hat das Pilgern dann noch einen Sinn

Hermann Josef Jansen

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Hallo ihr Lieben !!!

Habe einen Artikel in Welt gelesen,
https://www.welt.de/reise/nah/article24 ... rmann.html

Da kamen mir die Gedanken lohnt sich das pilgern überhaupt noch.
Ja genauso ist es, viele Caminos sind keine Pilgerwege mehr da sie zu einer Partymeile (ein Wirtschaftszweig) gemacht wurden. Das hab ich schon vor Jahren gesagt, das es so kommen wird.
Die Wege sind ja so herunter gekommen, und zugemüllt, und zu einer Partymeile gemacht, und der Sinn des Pilgern geht verloren, es ist schon schade. Dann erzählte mir im September eine Hospitalera auf dem Camino Portugues als ich dort übernachtet habe, das die hohen Herren der Touristenbranche auch noch die Herbergen zertifizieren wollen, damit man noch mehr Touristen dorthin schicken kann, und wollen billig übernachten. Vom Pilgern wird gar nicht mehr gesprochen. (Auch die Hospitalera sieht für den Pilgerweg an sich keine rosige Zukunft). Wenn es soweit ist können wir dann das pilgern an den Nagel hängen. Wie ich gelesen habe wollen sie auch noch an der 100 km Regelung ändern.

Buen Camino
hejo
 

Ulrich Altenhofen

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Vom 3.10. bis 25.10. bin ich zunächst von Hendaye nach Burgos auf dem Camino Vasco del Interior und anschließend den Camino Francés nach Santiago gegangen. Ich hatte den Eindruck, dass entlang des Weges weniger Müll lag als vor 20 Jahren, als ich den Camino Francés zum ersten Mal ging. In Zegama war die Herberge geschlossen, weil dort ein Fest war. Der Festlärm war mit Ausnahme der Zeit von 4 - 6 Uhr am Morgen sehr laut. In Spanien sind die Sitten eben doch anders als in Deutschland, wo Straßenfeste meist gegen 24 Uhr enden.
Am Camino Francés gibt es jetzt fast durchgängig reflektierende Schilder, was den Pilgern, die sich schon in der Dunkelheit auf den Weg machen, sehr entgegen kommt. Hässlich fand ich, dass es kaum eines der Schilder gibt, das nicht mit irgendwelchen Kommentaren oder unverständlichen Schmierereien verunstaltet ist. Im Pilgerbüro gab es keine Wartezeit, obwohl ich am Nachmittag die Nummer 705 erhielt. Was mir auffiel, ist, dass die Kathedrale sowohl bei der Pilgermesse 12 Uhr als auch um 18 Uhr ziemlich voll war.
Für mich beantworte ich die oben gestellte Frage mit ja, das Pilgern hat noch einen Sinn.
Buen camino
Ulrich
 

Dauerpilger

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Auf jeden Fall hat das Pilgern noch einen Sinn - natürlich braucht man Auswüchse - jeder Art auch immer - nicht für gut finden. Aber jeder kann auf dem Weg das für sich mitnehmen was sich für ihn ergibt. Und wenn man offen für Erlebnisse und Überraschungen bleibt, dann wird man diese auch nach wir vor haben.

Auch wenn der Anteil der "Party-People" steigt - mir sind Menschen, die tagsüber auf dem Camino unterwegs sind und auch abends mal draußen länger feiern immer noch lieber als Menschen die an den Ballermann oder Goldstand fliegen und sich dort ein oder zwei Wochen volllaufen lassen. (Um mal noch ein anders Klischee zu bedienen).

Klar, dass es für Anwohner ganz anders ist, als für den Besucher der im Höchstfall nur ein paar Tage in Santiago verbringt. Wir kennen doch hier ähnliche Diskussionen in Innenstädten. Ein ganz kleines Stück haben wir selber in der Hand, wie sich die Situation entwickelt. Und wer ist noch nicht am Abend in Santiago vor einer Taverne gesessen und hat mit lautem Hallo einen Pilgerkameraden vom Weg wiedergetroffen? Da denkt man im dem Moment auch nicht an die Mensche, die eine oder zwei Etagen höher wohnen....

Die Zeiten ändern sich halt. Wer Wege mit weniger Tourismus sucht findet diese auch. Allerdings ist dann auch die Infrastruktur insgesamt eine andere. Ich erinnere mich noch zu gut an eine Situation in San Juan de Ortega. Wir waren zu Fuß angekommen und erholten uns vor der Herberge auf dem Mäuerchen von dem heißen Wandertag. Wir kamen mit ein Radpilgerin ins Gespräch. Dies beklagte sich darüber, dass an vielen Stellen der Weg einfach zu touristisch sei und nicht mehr so ursprünglich. Auf meine Frage, warum sie dann nicht auf einen weniger begangenen Weg ausweichen würde, antworte sie, dass dort die Infrastrukur nicht so gut sei... Übrigens geschah das bereits 1998!

Es hat halt immer zwei Seiten. Aber wie Eingangs geschrieben, ja das pilgern bleibt - zumindest für mich - eine lohnende Erfahrung. Und im Moment ist es so, dass ich mich bei unserem aktuellen Projekt auch schon freue, wenn wir in ein paar Jahren wieder den CF erreichen und dann auch wieder die Infrastruktur genießen können und nicht so viel im Voraus planen müssen. Natürlich wird sich bis dahin von einiges ändern. Aber auch wenn ich meine Erlebnisse von 1994 mit 2015 vergleiche - beides Mal war schön und hat für mich Sinn gemacht. Auch wenn die Situation auf dem Weg eine andere war.

Buen Camino!
Wolfgang
 

Roland_1969

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Also persönlich erachte ich das Pilgern als wertvoll. Man muss nicht an den "Parties" teilnehmen, aber ich möchte auch nicht auf die vielen wertvollen Gespräche verzichten, die ich führen durfte.
Echte "Party-Pilger" war lediglich eine Gruppe Franzosen zwischen 18 und 25, auf die ich in der Municipal in Itero de la Vega getroffen bin. Aber die waren schon recht laut, sodaß sie von einem spanischen Pilger während der Siesta angeraunzt wurden.

Im Sommer 2019, während meines CF, war dieser recht leer. Die spanischen Sommertemperaturen schrecken viele Mitteleuropäer ab und das ist auch gut so. Erst ab Sarria wurde es merklich belebter, aber bis Leon war es herrlich ruhig.

Der Anteil an Tourigrinos und Incentivepilgerern steigt natürlich mit der Menge an Berichten in Fernsehen, Presse und YT an. Das ist unvermeidlich.
Gerade dieses Jahr zeigt gut, wieviel Nachholbedarf die Menschen nach fast 2 Jahren Einschränkungen hatten. Das ist wahrscheinlich in den kommenden Jahren wieder anders. Zumindest hoffe ich darauf bei meinem CP in den Osterferien.
 
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