Pilgerin und Hospitalera

Wo wurde ich eine Pilgerin und eine Hospitalera, wie fing meine Beziehung mit dem Camino an?

Wenn ich mich recht erinnere habe ich das erste Mal im Geschichtsunterricht vom Jakobsweg gehört, als es ums Mittelalter ging 😉 Ich erinnere mich noch wage gedacht zu haben ‚Schade das es das nicht mehr gibt!‘ Das war irgendwann in den siebziger oder achtziger Jahren – ja – ich bin nicht mehr so ganz taufrisch! 😉 Die nächste ‚Begegnung‘ fand dann ein paar Jahre später statt, als ich in einem Reisemagazin (dem National Geographic?) über die Wiederbelebung des Weges las – Es gab ihn also doch noch! Leider konzentrierte sich der Artikel mehr auf die Schmerzen und Qualen der Pilgerschaft, vor allen Dingen auf die gefürchteten Blasen, und so dachte ich mir ‚Lieber doch nicht!‘ Aber ein paar Jahre später, 1999 um es genau zu sagen, war ich dann auf dem Jakobsweg unterwegs, da ich im Herbst / Winter lief habe ich mir die Pyrenäen ‚gespart‘ und bin erst in Roncesvalles losgelaufen. Der Grund für diese Pilgerschaft war, das ich an einem Wendepunkt meines Lebens angekommen war und dringend eine Neuorientierung suchte. Da ich ein bisschen ein extremer Mensch bin habe ich es dann auch richtig gemacht – richtig für mich 😉 Gekündigt, Wohnung aufgelöst, Rucksack gepackt und nach Roncesvalles gefahren um herauszufinden was ich mit dem Rest meines Lebens anfangen wollte …

Leider habe ich keine Bilder von diesem Camino, ich habe schon damals leicht gepackt und keine Kamera mitgenommen. Stattdessen hier ein Bild der Kirche in Roncesvalles wo ich meinen ersten Pilgersegen bekam. Natürlich war die Kirche im Herbst nicht so voll!:

Pilgermesse in der Kirche in Roncesvalles

Pilgermesse in Roncesvalles, Foto (cc) Esteban de Sousa - Muchissimas Gracias!

Aber nun zurück zu meinem ersten Camino der mich, ja auch mit Blasen und Schmerzen aber auch vielen großen und kleinen Freuden, von Roncesvalles nach Santiago de Compostela brachte – die ganzen 790 Kilometer. Es ist so schwierig diesen inneren Jakobsweg zu beschreiben, hier deshalb einige meiner ‚Schlüsselerlebnisse‘:

Die geschlossenen Kirchen

Als ich den Camino in 1999 gelaufen bin, übrigens einem Heiligen Jahr, hat die Römisch-Katholische Kirche gerade eine Werbeaktion gemacht, mit dem Slogan ‚La iglesia – tu casa‘ (Deine Kirche – Dein Haus / Heim). Leider waren die meisten Kirchen damals tagsüber geschlossen und nur zur Messezeit geöffnet! Wir Pilger haben dann oft Witze gemacht, das unser Haus / Heim mal wieder geschlossen war und wir nicht nach Hause konnten … Glücklicherweise hat sich das, über die Jahre, zum Besseren gewendet und Pilger finden heute mehr und mehr offene Kirchen auf dem Camino. Oft ist das eine Verantwortlichkeit die von den, oft freiwilligen, Herbergseltern zusätzlich übernommen wird, nämlich die Dorfkirche morgens auf und abends zu zuschließen.

Die Begegnung mit anderen Pilgern

Eigentlich wollte ich ja alleine laufen, mich mit mir selbst zu beschäftigen und mich, meine Wünsche und Ziele, besser kennenlernen. Aber selbst im Herbst / Winter ist man selten wirklich allein – auf dem Weg vielleicht, aber nicht abends in den Pilgerherbergen! Die Frage und der Austausch über die eigenen Gründe die Pilgerschaft zu unternehmen können dann schon manchmal sehr tief schürfend sein 😉 Im Sommer ist das oft anders, zu viele Pilger und zu laut, aber in der Nebensaison lernt man sich schon besser kennen. Da es mein erster Camino war, haben mich natürlich die Langstreckenpilger beeindruckt, die von jenseits der spanisch-französischen Grenze angelaufen kamen und ich nahm mir schnell vor das auch einmal zu machen! Nicht wegen der Kilometer und dem ‚Pilger Prestige‘ sondern wegen den besonderen Erfahrungen von denen Sie berichteten … Ein spanisches Camino Sprichwort / Gedicht / Lied geht so ‚No hay camino, se hace camino al andar‘ (Es gibt keinen (Jakobs)Weg, der (Jakobs)Weg wird laufend gemacht / beim laufen erschaffen). Und das wollte ich ja gerade machen – meinen eigenen Weg finden und gestalten! Hier ein Video des Liedes:

 

Erste Erfahrungen als Herbergsmutter / Hospitalera

Ich hatte ja keinen Zeitdruck, deshalb bin ich auch gerne mal in einem Refugio (Pilgerherberge auf spanisch) ‚gestrandet‘ um auszuhelfen. Und das erste Mal, das das passierte war wirklich eines der Wunder des Caminos und es geschah in der kirchlichen Pilgerherberge ‚San Juan Bautista‘ in Grañón (La Rioja). Die Geschichte ist schnell erzählt aber sie hatte für mich lebenslange Konsequenzen …

Ich hatte die vorherige Nacht in Santo Domingo de la Calzada übernachtet, nur 6 Kilometer von Grañón entfernt, und wollte in der Herberge eigentlich nur meine Wasserflasche auffüllen. Und so bin ich dann die lange, gewundene Steintreppe herauf gestiegen. Sobald ich die Herberge selber betrat wurde mir klar das sie ganz anders war als alle vorherigen Herbergen in denen ich geschlafen oder die ich besucht hatte! Das lag nicht an der berühmten offenen Spendenbox auf der ein Schild mit dem Spruch ‚Gib was Du kannst und nimm was Du brauchst‘ war, es lag an der ganzen Atmosphäre.

Die Herberge selber liegt in einem alten Anbau der Kirche und der hat vor vielen Jahren mal als Wohnung des Küsters gedient Sie teilt sich eine Wand, und zwei Alabasterfenster, mit der gotischen Kirche die Johannes dem Täufer geweiht ist und verfügt nur über das notwendigste: Heißwasser für die Duschen, eine kleine Küche, ein großer Wohnraum und, über eine weitere Treppe zu erreichen, ein Pilgerschlafraum mit Matratzen auf dem Boden. Alles sehr einfach, aber liebevoll gestaltet.

Leider hatten die letzten Pilger nicht wirklich hinter sich aufgeräumt und sauber gemacht, nicht schlimm, aber schlimm genug das meine hausfraulichen Instinkte erwachten. Und so fand mich dann wenig später der Pfarrer von Grañón, Jose Ignacio Díaz Perez, in der Küche beim abwaschen vor … Das Wunder des Caminos war das er nur diesen einen Tag in der Herberge war, den Rest der Woche war er beschäftigt und hatte keine Zeit sich um Pilger zu kümmern. Da habe ich ja gleich meine Hilfe angeboten und bin ein paar Tage geblieben um mich um Pilger und Herberge zu kümmern. Der Tagesablauf in dieser Herberge so so aus: Pilgerfrühstück machen, Pilger verabschieden, Herberge putzen, durchwandernde Pilger begrüßen, helfen und Fragen beantworten, Pilgern die bleiben möchten die Herberge erklären, abends mit Pilgern kochen und gemeinsam essen und zum Schluss noch das Pilgergebet leiten wenn der Pfarrer nicht da war 😉

Und während dieser ersten Tage als Herbergsmutter wurde mir dann klar – das will ich für länger machen, nicht nur für ein paar Tage! Und ‚zufälligerweise‘ stellte sich dann noch heraus das der Pfarrer von Grañón auch der Hauptverantwortliche der Hospitaleros Voluntarios Organisation war … über diese Arbeit werde ich in einem anderen Artikel noch ausführlicher schreiben, hier nur soviel das ich dann schon auf die Freiwilligenliste für die nächste Pilgersaison aufgenommen wurde. Aber erst wollte ich ja meine eigene Pilgerschaft beenden und so bin ich nach ein paar Tagen wieder mit einem lachenden und einem weinenden Auge weiter gepilgert. Auch wenn ich während meines Weges dann später auch in anderen Herbergen ausgeholfen habe wird Grañón immer einen besonderen Platz in meinem Herzen haben!

Ich werde Langstreckenpilgerin

Und endlich, nach so ungefähr 800 Kilometern, bin ich dann in Santiago angekommen! Und nach ein paar Tagen Rast erfüllte ich mir dann einen anderen Herzenswunsch und bin wieder umgedreht und habe mich auf den Weg zu meinem Lieblingsheiligen, dem Heiligen Franz von Assisi gemacht, ja, auch wieder zu Fuß, durch Spanien, Frankreich und Italien. Auch diese Pilgerschaft ist einen eigenen Artikel wert und dieser hier ist sowieso schon viel zu lang geworden 😉

Endlich Hospitalera!

Nach Assisi habe ich mich dann wieder in Spanien ‚zum Dienst‘ gemeldet und fing meine ‚Karriere‘ als Herbergsmutter an. Natürlich war meine Freude groß, als ich hörte das mein erster Einsatz in Grañón war! Danach ging’s dann nach Belorado und dann auf und ab den Jakobsweg, wohin mich die Hospitaleros Voluntarios eben schickten! Aber nicht mit dem Pilgerrucksack, sondern mit dem, viel schwereren, Rucksack einer Hospitalera und deshalb, und auch aus Zeitgründen, nicht zu Fuß. So ungefähr 15 Herbergen habe ich mit der Zeit betreut, entweder alleine oder im Team mit anderen Hospitaleros. Außerdem habe ich auch bei der Renovierung der Herberge in Tosantos mit geholfen, ein paar Fotos von diesem Unternehmen können Sie hier sehen:

Pilgerherberge Tosantos waehrend der Renovation.

Hauseingang von Tosantos waehrend der Renovation, mit freiwilligen Helfern aus Spanien, Deutschland und anderen Laendern.

Pilgerherberge Tosantos

Tosantos renoviert und in Funktion!

Die Pilgersaison geht so richtig mit Ostern los und geht bis in den Herbst hinein, dafür ist der Winter dann sehr viel ruhiger. Aber nach zwei Jahren fast Non-Stop Pilger betreuen brauchte ich eine Ruhepause und so machte ich mich dann selber wieder auf Pilgerschaft – diesmal nach Rom um für die Einheit der Christen zu beten. Ein Anliegen das mir als Evangelischer die im katholischen Spanien lebte natürlich sehr am Herzen lag und immer noch liegt. Nach ein paar Monaten war ich wieder zurück und frisch gestärkt. Zwei weitere Jahre habe ich dann noch als Freiwillige geholfen und dann hat mich das Heilige Jahr 2004 ‚geschafft‘ 😉

Ich hatte immer gesagt das ich, falls ich ein Heiliges Jahr auf dem Camino als Hospitalera erleben ‚darf‘ mir eine kleine Herberge weit weg von Santiago wünsche. Das hat nicht so ganz geklappt, den Hauptteil des Jahres 2004 verbrachte ich in der Riesenherberge von Ponferrada, ungefähr 200 Kilometer von Santiago …

Vielleicht kann man es als ‚Burn-Out‘ beschreiben, aber im August 2004 traf ich die Entscheidung nach England zu ziehen um, wieder mal, neu anzufangen. Eigentlich wollte ich ja da dort anglikanische Theologie zu studieren, aber mein Leben entwickelte sich rasant in eine andere Richtung! Kurze Zeit später lernte ich nämlich in London meinen zukünftigen Mann kennen – passender Weise auf einer Veranstaltung der englischen Jakobsgesellschaft! Zusammen mit ihm bin ich dann noch einige Male auf den Camino zurückgekehrt, entweder zum pilgern oder zum helfen. Da wir beide Mitglieder der englischen Jakobsgesellschaft sind haben wir uns natürlich sehr gefreut einen Arbeitseinsatz in ihrem refugio in Miraz auf dem Camino del Norte zu absolvieren, ich als Köchin und Übersetzerin und mein Mann als ‚Handlanger‘ bei der Renovierung des alten Pfarrhauses zur Pilgerherberge.

Mein Mann und ich, beide erfahrene Pilger.

Mein Mann und ich, beide erfahrene Pilger 😉 (c) ICS, mit Erlaubnis benutzt.

Und nach drei Jahren Ehe zogen wir dann von England nach Prag in der Tschechischen Republik, wo wir auch heute noch leben. Leider habe ich kein größeres Foto von uns, dies hier muss reichen bis ich dazu komme eins zu ’schießen‘. So, jetzt wissen Sie ein bisschen mehr über mich, so wie diese Webseite wächst werde ich natürlich noch mehr Information hinzufügen!

 

2 Kommentare Pilgerin und Hospitalera

  1. Ingeborg Heide

    12. August 2016 bei 14:43

    Zufall oder mehr? Ich habe eben Ihren Bericht gelesen: Großartig! Wer Weiss, vielleicht begegnen wir uns eines Tages am camino norte in der Nähe von Abadin,mein HausHerr, katholischer Pilgerseelsorger,wird im August 2017 dort das Kirchlein betreuen und ich bin in Gontan „stationiert „.
    Alles Gute,liebe Weltpilgerin
    Ihre
    Ingeborg Heide

    • SYates

      24. August 2016 bei 12:10

      Alles Gute Euch auch, liebe Hospitaler@s! Buen Camino y Albergue, SY