Ruta de la Lana

Gertrudis

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Anfang Juni bin ich in 15 Tagen auf der Ruta de la Lana von Cuenca nach Burgos gegangen.
Dieser alte Handels- und Pilgerweg führt durch recht abwechslungsreiche, hügelige, größtenteils landwirtschaftlich genutzte Gegend, aber auch Steineichen- oder Kiefernwälder, über karge Hochebenen und durch wildromantische Schluchten.
Der Weg ist sehr wenig begangen. Ich hatte Glück und habe in Cuenca eine französische Pilgerin getroffen, die seit Alicante ganz allein unterwegs gewesen war. Es kommen wohl schon alle paar Tage mal Pilger durch, genauere Zahlen konnte mir niemand nennen, aber die Eintragungen in den Pilgerbüchern waren recht spärlich. Auch der Kontakt zu Einheimischen hielt sich in Grenzen - der Weg führt durch die bevölkerungsärmsten Gebiete Spaniens (Guadalajara und Soria), und die kleinen Orte sind weitgehend verlassen. Ca. 3 bis 12 Einwohner in den Dörfern. Viele leerstehende, verfallende Häuser, und die, die hergerichtet sind, dienen als Wochenend- und Ferienhäuser. Ich war also meist viele Stunden lang ganz allein auf weiter Flur (Meine Mitpilgerin und ich trafen uns erst am Abend - wir wollten das beide so). Aber die Menschen, denen ich begegnet bin, waren unglaublich freundlich und liebenswürdig!

Der Weg war für mich ein ganz großartiges Naturerlebnis.
So viele Tiere! So viele Rehe, Hasen, Eidechsen, auch Schlangen, Schmetterlinge, und vor allem: Vögel! Der ganze Tag voll von Gezwitscher und Gesang, und in der Nacht legte die Nachtigall los (und ein paarmal auch am Tag - es stimmt gar nicht, dass die nur nachts singen!). Und all die Blumen! Die bunten Wildblumenteppiche am Wegrain, unzählige Arten... Felder leuchtend von rotem Mohn, blauen Kornblumen... Und die Düfte! Die hartlaubigen Kräuter auf den kargen Hochebenen, Lavendel in Massen, manchmal der Geruch nach Weihrauch...

Dank des großartigen Engagements der Jakobswegfreunde ist der Weg zum größten Teil sehr gut markiert, und es gibt gute, teils hervorragende Herbergen. Nur in der Provinz Soria sah es in dieser Hinsicht noch etwas düster aus... da waren gelbe Pfeile teilweise eher rar, und da muss man dann auch mal mit dem Fußboden in einem heruntergekommenen Ayuntamiento (ohne Dusche) vorlieb nehmen.
Das größere Problem war aber die Nahrungssuche. In sehr vielen Dörfern gabs einfach kein Gschäfterl, wo man was hätt kaufen können... und wenn es eine Bar gab und die sogar unter der Woche auf hatte, konnte ich da vielleicht ein Bocadillo ergattern. Jedenfalls ist man - zumindest außerhalb der Ferienzeit - gut beraten, immer eine Büchse Sardinen und ein Stück Brot oder sonstwas zum Knabbern im Rucksack zu haben! Manchmal bin ich schon fast leicht verrückt geworden beim Gedanken an einen Teller grüne Bohnen, einen Pfirsich oder eine gelbe Rübe...

Wir sind den Umweg über Sigüenza gegangen (das machen anscheinend fast alle), und das ist auf jeden Fall zu empfehlen. Landschaftlich die zwei schönsten Etappen! Und Sigüenza, eine richtige kleine Stadt mit Läden und Leuten und der riesigen Kathedrale...
Übrigens ist die Ruta de la Lana ab Sigüenza über weite Strecken identisch mit dem Camino del Cid. Nur, dass die Ruta von Süden nach Norden geht und der Camino del Cid in die andere Richtung. Da begegnet man dann tatsächlich ab und zu Wanderern - um sich nach kurzem Plausch gleich wieder zu verabschieden.

Es gibt, und das ist sehr angenehm, nur ganz wenige Abschnitte auf Asphalt. Meistens gehts über sandige oder erdige Pistas (nach Regenfällen hab ich einen Ausrüstungsgegenstand vermisst: einen Hufkratzer...). Aber auch feine schmale Bergpfade sind dabei!

Ich hatte mir die Wegbeschreibung von Mundicamino mitgenommen (aufs Handy kopiert), und das war ein großer Flop. Die Wegführung ist inzwischen manchmal völlig anders. Und die Entfernungsangaben stimmen auch nicht - tatsächlich sind die Etappen meistens länger. Mit den Etappen ist man ziemlich festgelegt, wenn man die Herbergen nutzen und nicht draußen schlafen und so selten wie möglich über 30 km kommen will.
Besser wäre z.B. dieser Wegführer gewesen:

http://www.caminosantiago.org/cpperegrino/caminos/caminover.asp?CaminoId=9

Aber ein bisschen Überraschungen und Abenteuer sind ja auch was Schönes!

Ein ganz besonderes Erlebnis gabs in Villaconejos - Pepe und die Jakobsfreunde haben uns in die Bodega eingeladen. Die machen für jeden Pilger extra eine Fiesta! Mit gegrillten Würsten und Speck und Wein!
Ganz herzlichen Dank an Pepe, Ana, Luis, Esther, Antonio und alle anderen :)

Ja, die Ruta de la Lana war ein ganz besonderer Weg. Anders als die Wege, die ich bisher kannte. Obwohl - da hab ich noch etwas von dem gefunden, was der Camino francés vor 30 Jahren war...

Ich werd wieder einen etwas ausführlicheren Bericht schreiben, aber das dauert noch. Die ganzen Eindrücke müssen sich erst sortieren im Kopf.

Jedenfalls wünsche ich diesem Weg ein paar Pilger mehr! Die Leute da geben sich so viel Mühe, und sie freuen sich über jede(n) Pilger(in)!

Buen Camino
Gertrudis
 

SYates

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Danke für den interessanten und ausführlichen Bericht @Gertrudis! Das hört sich nach genau dem richtigem Weg für mich! Wie schätzt Du das ein, kann man/frau den ganzjährig gehen? Und gibt es Abschnitte die für Pilger mit Vertigo (habe ich) schwierig sind? Muchas gracias y Buen Camino, SY
 

Marianne Staufer

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Danke für diesen interessanten Bericht! Ich liebe auch die einsamen Pilgerwege und habe die Ruta de la Lana schon im Hinterkopf gespeichert.
 

Gertrudis

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Danke Euch!

Sybille, bestimmt ist das ein richtiger Weg für Dich ;-) !
Ganzjährig... hmmm. Jetzt war es da schon in der 2. Juniwoche sauheiß, 37, 38 Grad...(aber das betraf wohl den Großteil Spaniens), und Schatten gibts da eher wenig... Du kennst das ja von der Via de la Plata, denk ich (die kenn ich nicht). Zu Regenzeiten hätte man halt die ganze Zeit den Baaz an den Stiefeln. Im Winter dürfts ganz schön kalt werden, man ist schon immer so auf ca. 1000m Höhe. Aber Heizung/Ofen in Herbergen hab ich gesehen. Die ganzen Blumen und Vogelgesänge hat man halt im Frühling/Frühsommer, und im Herbst gibts dann dort auch endlich Obst - aber das weißt ja eh.

Zu gehen ist es recht leicht. Nichts Schwindelerregendes. Nur selten mal ein kurzer, etwas steilerer Anstieg auf einen Tafelberg hinauf (und wieder runter)
Außer, Du willst die "Tetas de Viana" besteigen - da gehts am Ende über eine Eisenleiter hoch ;-) Der Camino geht aber nur unten vorbei :)

Wie der Weg ab Alicante ist, weiß ich jetzt nicht, aber was mir erzählt wurde, ist, dass es tatsächlich erst ab Cuenca landschaftlich so "richtig schön" wird, oder halt noch schöner.

Buen Camino!
 

Rolf

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Hola,
eigentlich habe ich auf Grund meiner lädierten Knie die Caminos beendet. Aber 15 Tage scheinst mir gut machbar. Außerdem werde ich nur in Hostals übernachten, da spare ich etwas Gewicht.
Buen Camino
Rolf
 

Gertrudis

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Das ist ja fein, dass es jetzt schon ein paar Interessenten für diesen unbekannten Weg gibt!
Rolf - ich musste es in 15 Tagen schaffen, weil meine Ferien dann aus waren. Aber Du kannst doch überall verweilen, wo es Dir gefällt! Hätt ich mit mehr Zeit auf jeden Fall gemacht - in Cuenca, Sigüenza, Silos... Und ja, Hostales gibts schon auch, bzw Casas Rurales (da sollte man aber außerhalb der Feriensaison vorher anfragen...) Decken in den Herbergen auch. Und wo es gar nichts gibt, verpasst man auch nicht so viel, wenn man mal eine kleine Etappe per ausgestrecktem Daumen überbrückt...(z.B. von Caracena nach San Esteban)
 

Rolf

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Hola,
ich habe ja die Ruta letztes Jahr auf meinem Levante gekreuzt. Ich habe immer schon die einsamen Wege bevorzugt.
Mal sehen was kommt.
Buen Camino
Rolf
Ps Übrigens wir die Via Lusitana durch Portugal jetzt offizieller Pilgerweg. Kann diesen Camino wärmstens empfehlen.
 

Kugelblitz

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Grüße dich Gertrudis !
Ich bin beeindruckt !
Deine Beschreibung von diesem Weg ist für mich "wegweisend".
Ich hoffe es wird sich die Gelegenheit finden deinen Spuren zu folgen, bis dahin werde ich
deinen Beschreibungen folgen.
 

Gertrudis

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Lieber Kugelblitz,
das freut mich, wenn Dich dieser besonders einsame, aber schöne Weg reizt.
Ich hoffe, Du hast genug Zeit, bis es so weit ist, dass Du da hinpilgerst - denn bis ich mit meinen Beschreibungen fertig bin, wirds wohl doch noch dauern... ich hab zur Zeit so viel anderes zu tun...
Aber so nach und nach wirds schon werden ;-)
 

Tara

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Liebe Gertrudis,
wunderbar wie du deine Wegabschnitte beschreibst und so schöne Fotos beifügst. Habe am Sonntag den ganzen Tag gelesen und mitgefühlt.
Bitte schreibe bald weiter!
Saluti
Tara
 

Harinjo

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Ola Gertrudis,

ja deine Geschichten sind echt Klasse. Schreibst immer nur ein Häpchen - to be continued.... Wie die Serienprofis im Fernsehen, immer die Spannung hoch halten ;-) :) Ich bin schon voll Neugierig auf Tag 5. Wann kommt der endlich???

Nein, im Ernst: Tolle Berichte die du schreibst. Danke für die lustigen, spannenden, traurigen Geschichten.
Ach ja und die Fotos sind auch Klasse. Die Landschaft gut eingefangen und auch viele Details... Der Kaisermantel gefällt mir besonders :)

Buen Camino
Harry
 

Tara

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Liebe Gertrudis,
habe grade deinen 5. Tag miterlebt. Ich bin nun voller wunderbarer Eindrücke und in einer sehnsuchtsvollen Stimmung. Wie muss es erst sein, so etwas wirklich durchlebt zu haben?
Ich hoffe, du hast bald wieder Zeit uns deinen 6. Tag zu schenken!:)
Alles Gute, Tara
 

a pè

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Wenn die Benachrichtigung kommt bin ich immer am lesen. Sogar in den Ferien in Italien. Vielen Dank.
 

Gertrudis

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Liebe Tara und lieber a pè,
das freut mich sehr, wenn ich so eifrige "Fans" habe :)
Ich geb zu, dass ich nur zäh weiterkomme mit dem Schreiben... wenn ich dann dazu komme, dauert es immer, bis ich wieder "drin" bin, und dann muss ich auch oft schon wieder etwas anderes machen... oder es ist schon wieder Mitternacht, so wie jetzt :eek:
Aber Ihr wollt eh noch nicht gleich los auf die Wollstraße, oder? Liebe Grüße!
 
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