Grabenschweine auf dem spanischen Jakobsweg

SYates

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So jetzt geht es endlich weiter mit den Berichten von meinen Camino Abenteuern ;-)

Anreise und Moratinos

Ich erspare Euch die Einzelheiten und sage nur, dass ich am Freitag den 25. November abends um 22:00 in Frankfurt am Main in den Bus eingestiegen und am Samstag um 19:00 in Bayonne wieder ausgestiegen bin. Insgesamt Zeit geschlafen: <1,5 Stunden ;-( Eine solche Busfahrt ist zwar überlebbar – aber ob ich das nochmal mache?

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Pilgerherberge Bayonne

Catharina und Grégory, ein deutsch-französisches Pilgerpaar, nehmen in Ihrer zentralgelegenen Wohnung (Nähe Busbahnhof/Rathaus) bis zu 4 Pilger auf. Ich habe mich bei Ihnen sehr wohlgefühlt und kann die Herberge nur empfehlen! Mehr Information hier http://www.albergue-bayonne.com

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Am Sonntagmorgen um 8:00 hat mich dann Don, ein amerikanischen Freund vom englischsprachigen Pilgerforum https://www.caminodesantiago.me/community/, in Bayonne abgeholt und wir sind Richtung Moratinos losgefahren. Von der Reise gibt es wirklich nichts Wichtiges zu berichten, deshalb langweile ich Euch auch hier nicht mit Einzelheiten ;-)


Moratinos

Als wir um 13:00 in Moratinos (kurz vor Sahagún) ankamen, waren nur die 5 Hunde, der Kater und Paddy (UK), der Hausherr, daheim. Letzterer mit einem Vogel auf dem Kopf ;-) Hilary, ja genau wie Mrs. Clinton, ist ein Kleinpapagei, der/die unheimlich zahm ist, nach einer Stunde sass sie schon auf meiner Schulter und über die nächsten Tage habe ich mich dann auch mit dem Rest der Menagerie angefreundet. Jedes Mal wenn ich im Haus war hatte ich entweder einen Vogel, einen Hund oder den Kater 'am Leib'. Rebekah und Paddy's Haus heisst nicht umsonst das 'Peaceable Kingdom', das 'Friedliche Königreich'. Aber ich verzettle mich schon wieder. Ich erkläre mal besser den Begriff 'Grabenschweine' ;-)

Seit ~8 Jahren versammeln sich hier in Moratinos Freiwillige, die meisten 'kennen' sich vom englischsprachigem Forum, um 4-5 Tage den Camino vom Müll zu befreien. Auf englisch nennen sie sich selbst 'ditch pigs' also auf deutsch 'Grabenschweine'.

Rebekah und Tom (beide auch aus der USA) waren am Sonntag schon fleissig an der Arbeit und haben Don Limpio (Meister Proper auf spanisch) ausprobiert. Don und ich haben uns erstmal eingerichtet und dann mit Paddy Vino Tinto getrunken ;-) Als Tom und Rebekah dann zurück kamen, sind wir alle erstmal in La Bodega in Moratinos essen gegangen – lecker, lecker! Ach, das Leben als Grabenschwein fing ja so hart an! Als wir noch beim Dessert waren, kam James (UK) angepilgert. Dieser lief den Madrid Camino bis Moratinos und verwandelte sich dann gleich vom Pilger zum Grabenschwein. Als er auch gegessen hatte ging es zurück zum Haus und auf dem Weg kam uns dann Michael (US/Santiago) entgegen. Damit war die Schweineherde dann erstmal vollständig! Den Rest des Tages haben wir dann mit gegenseitigem Kennenlernen und Hunde mit Leckerli bestechen verbracht – und mit mehr essen (wir hatten alle ein paar 'häusliche' Spezialitäten mitgebracht) und natürlich mit mehr Vino Tinto. Als es dann zum aufteilen der Schlafräume kam fühlte ich mich wie in einer Pilgerherberge, noch mehr so als es zum schlafen kam... Michael, Don und ich teilten uns nämlich einen Raum und schnell stellte sich heraus, das Don nicht nur ein Meisterschnarcher ist, sondern auch im Schlaf spricht und rumschreit. Gegen Mitternacht sind Michael und ich dann in die Wohnküche geflüchtet, er auf die Couch und ich, mit meiner Matratze im Schlepptau, auf den Boden zu Hund und Katze. Und in der Gesellschaft haben wir dann gut bis 06:00 geschlafen, als uns ein sehr erstaunter Paddy hier vorfand und uns gleich Kaffee kochte.


Tag 1: Moratinos > Calzadilla de la Cueza

So, heute ging die Arbeit richtig los! Nach dem Frühstück haben wir unsere Ausrüstung (Sicherheitswesten, Handschuhe und Müllzangen) erhalten und sassen kurz nach 8:00 in den zwei Autos um zu unseren 'Einsatzorten' befördert zu werden. Don und ich bildeten ein Team und haben uns um die Strecke Calzadilla de la Cueza Richtung Carrion de los Condes (also Camino rückwärts) gekümmert. Tom wurde alleine am Ortsausgang von Carrion ausgesetzt und lief uns entgegen und James und Michael liefen von Moratinos Richtung Calzadilla. Und Rebekah brachte erst ihr Auto in die Werkstatt und fuhr dann den Camino auf und ab um die gefüllten Müllsäcke, die wir am Wegesrand deponierten, einzusammeln und zu entsorgen. Es ist schwer zu sagen wieviele Säcke wir gefüllt haben, aber ich schätze mal, das jedes Grabenschein so circa im Durchschnitt 200l Müll/Tag beseitigt hat … Am längsten brauchten Don und ich diesen Tag am Rastplatz in der Mitte zwischen Carrion und Calzadilla – besonders hinter der Schutzwand, da befand sich nämlich die Pilgertoilette! Ich erspare euch die gruseligen Einzelheiten...

Gegen 14:00 hat uns dann Rebekah mit dem Auto wieder eingesammelt und wir sind zum Treffpunkt nach Calzadilla gefahren und gleich in die Toilette gerannt, um unsere Hände und Arme zu schrubben! Zum essen ging es dann zur La Morena nach Ledigos (wieder sehr lecker!) und dann zurück nach Moratinos wo der Tag in gewohnter Weise (lange Dusche, Vino Tinto und mehr essen und Hunde und Katze streicheln) ausklang. Zum schlafen habe ich mir dann gleich die Matratze in die Wohnküche geholt und Michael hat sich bei James einquartiert (mit mässigem Erfolg, James schnarchte auch ;-).

Fund des Tages: 1 einsamer lederner Bergstiefel, gefüllt mit Rosmarinzweigen und mit 2 alten Feuerzeugen als Dekoration.


Tag 2 Itero / San Nicolas de Puente Fitero – Castrojeriz (Alto)

Der Ablauf war derselbe wie gestern, drei Teams: 2 die von beiden Seiten den Alto nach Castrojeriz hochliefen und eins, das sich um die Strecke Itero zur Kapelle San Nicolas kümmerte. An dem Tag arbeitete ich mit James zusammen und wir hatten Don Limpio mit dabei, ganz schön praktisch und stabil, der Müllwagen! Als wir mit ihm am Ende unseres Abschnittes ankamen war er fast voll und der Camino leer vom Müll. Erstaunt hat mich die Anzahl der Pilger, denen wir begegnet sind, ungefähr 2 Dutzend pro Tag und das Anfang Dezember!

Fund des Tages: Eine leere Tube Zahnprothesencreme, vielleicht wollte Pilger ja seine Dritten nochmals extra fest ankleben bevor er/sie ins Bocadillo biss ;-)

Zur Belohnung ging es zum essen ins Meson in Villalcazar – eines meiner Lieblingsrestaurants auf dem ganzen Camino – endlich mal wieder hausgemachte Morcilla!

Rest des Tages wie gewohnt, nur Michael musste leider wieder nach Hause nach Santiago fahren. Und Don behielt natürlich sein Einzelzimmer mit drei Betten ;-)


Tag 3 Boadilla <> San Nicolas de Puente Fitero

Kein spezieller Fund und nichts besonderes zu berichten, aber der Camino zwischen Boadilla und San Nicolas war nach unserem Einsatz sauberer ;-) Belohnungsessen (gebratenes Lamm/Ferkel) gab es dann in Fromista.


Tag 4 Poblacion <> Carrion (mit Lücken)

Rebekah sagte am Morgen, das wir nun das Schlimmste hinter uns hätten - berühmte letzte Worte! Tom und ich hatten 'nur' Carrion bis Villacazar zu säubern – wir brauchten dafür 5 Stunden und das für 6km! Grausam, teilweise deshalb weil der Jakobsweg hier der Nationalstrasse folgt und die Autofahrer ihren Müll auf den Camino werfen. 100m vor Villacazar konnte ich nicht mehr, es war zu viel. Ich gab auf, konnte gerade noch warten bis Tom die Abschlussphotos gemacht hat und dann zog ich Don Limpio zum nächsten Müllcontainer – ich wollte das Zeug nur noch loswerden! Rebekah rief uns an und fragte wo wir waren und wie es uns ging. Tom antwortete „Mir tuen die Hüften und die Knie weh und Sybille hat eine 'attack of grumpiness' (Attacke von ärgerlicher Erschöpfung?). So blieben wir halt in Villacazar de Sirga sitzen bis Rebekah mit dem Auto vorbei kam und uns und Don Limpio einsammelte. James sass derweil in Poblacion in der Bar und wartete bis wir kamen. Wir waren alle so spät dran, das es zum essen gehen nicht mehr reichte – Also Notruf zum Peaceable, das sie (Don war im Haus geblieben, da er im März das Haus hüten wird und den Ablauf kennenlernen wollte) das Curry eher kochen, verhungerte Schweinchen auf dem Weg! Abends kam dann noch Kieran (Irland) an, der ein paar Tage bleibt um im Peaceable zu helfen und die Strecken zu säubern, die wir nicht geschafft haben. Der Abend wurde ein bisschen lang, besonders als der Baileys und der Whiskey aus dem Versteck kamen ;-)

Funde des Tages: Viele Sachets mit 'High-Energy Magnesium Super Sport Gels' (Tom und mein Fund) und ein Bondage Porno-Magazin (Rebekah's Fund). Kopfschüttel …

Don Limpio Villacazar.jpg

Unser Don Limpio/Meister Proper mit dem Müll von 'nur' 6km Jakobsweg gefüllt ;-)

So, das war die Grabenschweine Aktion – am nächsten Morgen bin ich dann mit Don wieder bis Pamplona gefahren und dort in den Bus nach San Sebastian/Bayonne/Saint Jean gestiegen – aber das ist ein anderer Thread ;-) Buen Camino de la Vida, SY
 
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aye sybille,

dass du n'en vogel hast, hab ich schon lang vermutet, jetzt ist es bewiesen :D
dass das abervein so hübscher ist, das hätt ich dann doch nicht geglaubt....

sehr schöner bericht, wär ja gern dabei gewesen, wie du weisst. nur gut, dass ich das dann doch nicht getan hab, mich hat das zipperlein erwischt und ich bim zum couch potato verdammt. verdammt. das fussi meint, einem elefantenhaxen konkurrenz machen zu müssen und ist steif.
aber das wird wieder.
hat auch was gutes, hab in der zeit ein mac book pro aus nem thinkpad gebaut, funzt prächtig, das teil :)
mom, beweisphoto kommt gleich....

image.jpeg

ist zum pilgern vllt. etwas zu schwer, der black mac, mit 1.500 g, aber sonst für auf dem weg praktisch und teuer war der auch nicht. ein gebrauchter für 199.-€ bei amazon. :)

dir alles liebe,
licht auf dem weg,
ralph
 

a pè

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Schöner Bericht und tolle Fotos.

Ja der Müll manchmal war es auch am Norte vor allem den Straßen entlang mit den Rennvelofahren sehr vermüllt. Blechdosen/PET Flaschen.

Ich finde es super gibt es Menschen wie euch die sich dafür ihre Zeit dafür nehmen. Danke.
 
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