Camino Vadiniense y Lebaniego (Biskaya bis Leon) I-VIII

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Hallo zusammen,

im letzten Jahr habe ich mich zusammen mit meiner Schwester Petra auf den Weg gemacht, und wir haben uns gemeinsam für einen ziemlich unbekannten Jakobsweg entschieden - den Camino Vadiniense y Lebaniego.

Da es über diesen Weg nur sehr wenig deutschsprachige Beiträge im Netz gibt, habe ich mir gedacht, dass ich hier mal nach und nach über unsere Erfahrungen berichte.

Der Camino Vadiniense y Lebaniego beginnt an der Biskayaküste in San Vicente de la Barquera, einem sehr schönen Etappenstädtchen des Camino Norte, überquert das Kantabrische Gebirge und endet in Mansilla de la Mulas auf dem Camino Frances. Wir hatten es tatsächlich geschafft, im gleichen Zeitraum vier Wochen Urlaub zu bekommen und waren daher zeitlich gut aufgestellt, um von Leon aus noch über den Camino Frances nach Santiago zu laufen. Gestartet sind wir auf dem Camino del Norte in Laredo, um uns ein wenig an der Küste einzulaufen, bevor wir die Berge in Angriff nehmen wollten. Guter Plan, wie sich herausstellte.

Der Vadiniense ist in der Reihe meiner Weg schon etwas ganz besonderes, denn er zeichnet sich nicht nur durch wunderschöne Landschaften aus, sondern vor allem dadurch, dass man als Pilger spätestens nach dem Kloster von Santo Toribio de Liebana wirklich alleine unterwegs ist, wenn man seine Pilgerbegleitung nicht gleich selbst mitbringt. Wir beide haben zwischen dem Kloster und dem Zusammentreffen mit dem Camino Frances an mehreren Tagen bis zum eintreffen in der Herberge, die wir häufig für uns alleine hatten, wirklich niemanden getroffen. Nicht nur keine Pilger, sondern an zwei Tagen auch sonst niemanden. Das sollte man mögen und auch aushalten können. Wenn das so ist - wie bei uns - ist das kein Minus- sondern ein großer Pluspunkt dieses Weges. Wir beiden haben es jedenfalls als sehr schön empfunden mal rund eine Woche, abseits von Sippe und Freundeskreis, nur für uns zu sein.

Die ersten fünf Tage unserer Pilgerwanderung waren ja noch auf dem Camino del Norte und dort haben wir ein paar nette Pilger aus Deutschland, Irland und Australien getroffen und von den schönen Abenden, die wir zusammen verbracht haben, konnten wir nun bis kurz vor Leon zehren. Vom Wetter her wurden wir in den ganzen vier Wochen reich beschenkt. Nachdem es auf dem Norte noch etwas regnete, war das Wetter zu Beginn des Vadiniense in den Bergen zwar sehr sonnig, aber nicht zu heiß. Ab Cistierna war es unglaublich heiß und diese Hitze hielt sich bis ein paar Tage vor Santiago.

Es gibt zu Beginn des Vadiniense die Möglichkeit, mehr oder weniger direkt von San Vicente nach Cades zu laufen, wir haben uns aber für den Weg über Serdio entschieden. Hier konnten wir noch einen schönen Abschlussabend mit der "Norte-Truppe" verbringen und der Weg führt von dort in einer großen Schleife ebenfalls nach Cades.

Serdio - Lafuente

Kurz hinter Serdio, wo wir in der sehr schönen Bar noch ein opulentes Abschiedsfrühstück genossen haben, trennt sich dann der Vadiniense vom Norte. Der geneigte Vadiniense-Pilger hält nun Ausschau nach einem roten Kreuz, wahlweise auch roten Pfeilen. Bis zum Kloster Santo Toribio ist die Auszeichnung sehr gut, danach lässt sie schon ein bisschen nach - oft gibt es aber auch nur eine Möglichkeit der Wegführung.

Ab Munorrodero führt der Weg dann rund 10 km am Rio Nansa entlangt. Die Wegführung ist einfach phantastisch. Häufig ist, besonders zu Beginn, eine Art hölzerne Galerie an den Fels gebaut, auf der es über zahlreiche Treppen munter rauf und runter geht, immer mit Blick auf den schönen Fluß. In Cades hat man die Möglichkeit in der kleinen Pilgerherberge unterzukommen, wir haben uns aber als Etappenziel Lafuente vorgenommen. Ab Cades findet man sich dann auf einer einsamen Landstraße wieder, der man, immer sachte bergauf, bis Lafuente folgen muss. Rechts und links tauchten nun die ersten Berge auf und in Lafuente dachten wir schon, wir wären recht hoch, obwohl der Ort noch nicht mal 400 Meter hoch liegt. Die Herberge in Lafuente liegt am Ende der recht übersichtlichen Ortschaft;) und spielt in Sachen Lage, Aussicht und besonders in Sachen Betreuung durch den Hospitalero sicher in der ersten Liga. Die alte Schule ist zweckmäßig ausgestattet und wird sehr liebevoll betreut. Am Eingang des Ortes (also rund 200 Meter entfernt) betrieb ein ziemlich alter Senor seine mittelalterliche Bar. Der war so süß. Die ganze Besatzung der Herberge, also drei Spanier und wir zwei, sind bei ihm eingefallen, um uns ein schönes Einlaufbier zu gönnen.
Nach glaubhafter Schilderung unserer Mitpilger sprach der Barbesitzer einen so starken Dialekt, dass es selbst ihnen nur schwer möglich war, das Getränkeangebot der Bar zu erforschen. Das war im Grunde genommen auch nicht erforderlich, denn das einzige Getränk im Ausschank war Radler. Unsere Truppe hat dann also den gesamten Vorrat dieses Etablissements (9 kleine Fläschchen) vernichtet. Glücklicherweise traf kurz vor unserem Aufbruch in Richtung Herberge noch Tante Edeka mit ihrem Verkaufswagen ein, sodass wir uns für den nächsten Tag mit etwas Obst und Keksen eindecken konnten. Ansonsten sind die Einkaufsmöglichkeiten in Lafuente mit einem Wort zu beschreiben - nada.
Nachdem wir wieder in der Herberge eingetroffen waren, mussten wir uns zügig duschen und umziehen, denn mehrere parallel arbeitende Stromverbraucher halten die Leitungen dort nicht aus. Also alles schön nacheinander, erst alle duschen - dann alle waschen - dann wird gekocht. Zum Abendessen hat uns der Hospitalero mit einem göttlichen veganen Eintopf und einem Gläschen Rotwein verwöhnt. Als er dann noch draußen das Lagerfeuer entzündete und wir alle den Sonnenuntergang am offenen Feuer genießen konnten, hatte er endgültig gewonnen. Für den Morgen hatte er ein kleines Frühstück vorbereitet. Das war auch gut so, denn auf den ersten sechs Kilometern des Weges nach Potes gibt es keine Einkehrmöglichkeit, dafür geht es aber stetig und auch recht heftig bergauf.

-später mehr-
 
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servus michael,

danke dir für den bericht.
ist immer wieder schön, sowas zu lesen und neues zu erfahren!
freu mich auf die fortsetzung,
<3lich ralph
 

Gertrudis

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Herzlich Willkommen und danke auch für den Bericht, der weckt schöne Erinnerungen! Ich war ja 2015 in der Gegend...
War immer noch Michao, der polnische Hospitalero, in Lafuente? Ja, der ist einfach super nett. Freu mich auf die Fortsetzung Deines Berichts :)

Gertrudis
 

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...und weiter gehts

Lafuente - Potes

Nachdem wir das kleine aber feine Frühstück genossen hatten, haben wir uns in der doch recht kühlen Morgenluft auf den Weg gemacht. Dieser Weg führt als erstes ordentlich bergauf. Man kann schon von der Herberge aus den ziemlich schnell an Höhe gewinnenden Weg sehen und weiß daher bereits vor dem Abmarsch, was einem gleich blüht, immerhin gibt es auf den ersten 8 Kilometern rund 500 Höhenmeter zu erwandern. Da kam uns die zwischendurch erscheinende kleine Bar in Cicera mit dem leckeren Cola Cao wie gerufen.

In der Bar haben wir auch wie immer unsere Wassertanks bis oben gefüllt. Das sollte man auf dem Vadiniense immer so handhaben, sobald sich eine Gelegenheit dazu ergibt, denn es gibt Tage, da kommt keine Bar, also muss die Versorgung komplett aus eigenen Beständen erfolgen. Kein Problem wenn man´s weiß.

Nachdem wir den höchsten Punkt des Tages schon am späten Vormittag erreichten, waren wir guter Dinge, den Rest des Tages auf einer A....backe zu absolvieren - das hat jetzt speziell bei mir nicht soooo gut geklappt.

Vom Collado de Arceon ging´s dann erstmal rund fünf Kilometer ordentlich bergab bis Lebena, aber ab da auch wieder steil (sehr steil, verdammt steil.....) über eine kleine Straße bergauf. Es war so sonnig, die Hitze stiegt von der Straße auf und ich bekam die Hacken gar nicht nicht mehr auf den Boden, so steil war das. Da wollt´ich dann totgehen:(. Die Leichtfüssigkeit, mit der Petra diesen Berg erklommen hat, hat zu diesem Wunsch bestimmt nicht unwesentlich beigetragen. Allerdings muss ich zu meiner Rechtfertigung sagen, dass ich wegen meines großen Rucksacks der Lastesel unseres Pilgerduos war und meine Schwester bei nur rund 50 kg Eigengewicht nun wirklich nicht neben ihren Sachen auch noch Fressalien und Getränke schleppen konnte. Glücklicherweise gehen nicht alle Wünsche sofort in Erfüllung und ich bin ja letztendlich lebend oben angekommen.
Da blieb mir der Mund erstmal offen stehen und ich bin wirklich auf die Knie gefallen. Ganz sicher vor Erschöpfung, aber auch vor Begeisterung.
Die Aussicht auf die umliegenden Berge dort oben entschädigte mich für jeden einzelnen Schweißtropfen, den ich auf dieser Straße gelassen habe.
Wie man bei uns im Ruhrgebiet sagt......NEE SOWATT VON SCHÖN:)

Uns beide erinnerten die Ausblicke sehr an die Dolomiten, obwohl wir ja noch nicht mal 1000 Meter hoch waren. Nachdem wir beide (na gut, speziell ich) wieder zu Atem gekommen, gefühlte hundert Fotos im Kasten und unsere Wasservorräte bedenklich geplündert waren, setzten wir unseren Weg in Richtung Cabanes fort. Dabei ging es mit ein wenig Verwirrung ob der Wegführung und des rustikalen Streckenverlaufes recht hurtig bergab. In Cabanes angekommen, mussten wir dringend die Pullen füllen um dann relativ entspannt bis nach Tama ins Tal zu laufen. Dort gab es ein ziemlich nobles Hotel, wo wir auf der Terrasse unseren Flüssigkeitshaushalt erstmal wieder mit alkoholfreiem Weizenbier (mitten in Spanien!) ins Lot brachten und auf dem Klo sämtlich Körperteile, die auch nur irgendwie ins Waschbecken passten, dort reinstopften. Die rund drei Kilometer bis Potes zogen sich dann doch noch sehr in die Länge - wie immer, wenn die Pause zu lang geraten ist.

Den Schlüssel für die riesige Herberge gibts in Potes in der Touristeninformation und die Herberge liegt zentral direkt am Fluss und ist praktisch in die Erde reingebaut. Lediglich die Räume zur Flussseite haben Fenster, über den Schlafräumen liegt die Terrasse eines Restaurant und die Küche, die Toiletten und Waschräume sowie der Speiseraum liegen quasi :eek:unter der angrenzenden Strasse:eek:. Das tut der Qualität dieser Herberge aber keinen Abbruch, denn alles ist wunderbar und offensichtlich für große Pilgergruppen in Richtung Santo Toribio gedacht. Das Kloster ist ein Nationaldenkmal in Spanien und ruft, wie 2017, heilige Jahre aus, bei denen, ähnlich wie in Santiago, beim Besuch der heiligen Stätte der Nachlass aller zeitlichen Sündenstrafen gewährt wird. Potes selbst ist ein quirliges kleines Städtchen mit Geschäften, kleinen Touristenboutiquen und sehr schön am Fluss liegenden Restaurant. In dieser Herberge haben wir dann auch mit Anna aus Slowenien unsere Vierte und vorerst letzte Pilgerin auf dem Vadiniense zu Gesicht bekommen. Die nächsten Spezies dieser Gattung begegneten uns erst wieder in sechs Tagen auf dem Camino Frances.

Nach duschen, Zimmer einrichten und Klamotten waschen, haben wir noch kurz unsere Vorräte ergänzt und uns dann am Torre del Infantado ein leckeres Abendessen mit einem Glässchen Wein reingeschraubt. Das war heute nötig. Kaum waren wir in der Herberge und hörten das gleichmäßige Rauschen des Flusses, haben wir geschlafen wie in Abrahams Schoss.
 

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... und noch einen

@Gertrudis: Ja, ich denke Michao war noch da. Da wir mit den spanischen Pilgern zusammen angekommen sind, hat er sich als Miguel vorgestellt und gesagt, dass er aus Polen kommt. Das wird dann passen.

Potes - Espinama

Nach neun Stunden sehr erholsamen Schlafes haben wir ganz in Ruhe gefrühstückt, unsere Sachen gepackt, den Schlüssel zur Touristeninfo gebracht und sind dann losmarschiert. Zwischen Potes und Santo Toribio hat die Obrigkeit mal richtig einen raus gehauen und breite, "weißgekieselte" Pilgerpisten anlegen lassen, die uns ganz gemächlich bis zum Klöster führten. Leider konnten wir diesen beeindruckenden Bau nur von außen besichtigen, da die Türen sich erst um 10:30 Uhr öffneten, was uns entschieden zu spät war, angesichts der 27 km, die es heute zu bewältigen galt.

Vom Kloster aus führte uns der Weg zu Anfang bergab ins Tal des Rio Deva zurück um sich von dort aus, beidseits des Flusses, langsam aber stetig in Richtung Espinama rauf zuwinden. Bis hinter Arenos blieben wir immer in Flussnähe und haben ein paar kleine Weiler durchquert. Dann ging es weg vom Fluss, auf sehr sehr schönen Wegen, nur durch den Wald und nur sehr gleichmäßig bergauf nach Espinama. Dieser Wegabschnitt ist, zusammen mit dem Aufstieg zum Horcada de Valcavao am folgenden Tag, mit das schönste, was mir in all den Jahren unter die Stiefel gekommen ist. Als der liebe Gott dieses Fleckchen Erde geschaffen hat, hatte er eindeutig sehr gute Laune. Herrlich.

So sind wir also den ganzen Tag schön piano der Berg rauf getrottet, nur unterbrochen von ein paar Pausen mit beeindruckenden Aussichten, und haben uns in Espinama im Hostal Puenta Deva eingemietet. Ursprünglich wollten wir in die Albergue Briz - die war aber mit einer Horde von Mountainbikern belegt, die von dort aus ihre Tour in die Picos de Europa beginnen wollten. Überhaupt war der ganze Ort fest in der Hand von sehr ambitionierten Radlern. Aber im Hostal hatten wir ein schönes Zimmer und fast alles war gut. Ja leider nur fast alles, denn zum ersten mal, auf meinem nun zehnten Camino, bin ich beklaut worden. Glücklicherweise betraf es nur meine Wanderstöcke, aber ärgerlich war es in jedem Fall, zumal für den morgigen Tag der Aufstieg nach Horcada de Valcavao anstand. Ich hatte die Stöcke beim eintreffen am Hostal, einem Nebengebäude in einer sehr ruhigen Seitenstrasse, am Eingang vor der Tür stehen lassen - und 10 Minuten später waren sie weg. Die soll doch beim sch.... der Blitz treffen:mad:

Nachdem wir uns ordentlich gewässert und etwas stadtfein gemacht hatten, sind wir dann ins "Hauptgeschäft" zum Essen gegangen. Dort habe ich dann wegen des Diebstahls ein wenig rumgenölt (wirklich nur ganz wenig, da konnte ja keiner was dafür) und gefragt, ob es denn im Ort Wanderstöcke zu kaufen gäbe. Nein, gab es nicht, aber nach ein paar Minuten stand die Besitzerin vor mir und hat mir einen massiven Wanderstab mit Stahlspitze und eingebranntem Namen des Hostals geschenkt. Auf meine Bitte hin, etwas dafür zu bezahlen hat sie nur abgewunken und gesagt, ich soll damit mal ein bisschen Werbung für sie laufen - ist das nicht geil:)

So reich beschenkt und gesättigt sind wir dann auch zügig ins Hostal zurück und haben in unseren richtigen Betten, mit Kissen und Bettwäsche, herrlich geschlafen.

Espinama - Portilla de la Reina

Bevor wir uns auf den Weg gemacht haben, sind wir noch zu einem leckeren Frühstück ins Hauptgeschäft zurückgekehrt. Dort wurde uns dringend geraten, uns ordentlich einzucremen und jede, wirklich jede Gelegenheit wahrzunehmen, unsere Wasserflaschen aufzufüllen, den bis Portilla käme nichts an Infrastruktur. Damit hatten sie auch recht, es gab noch nicht mal Schatten, gefühlt nicht einen Quadratmeter.

Das der heutige Tag uns sportlich sehr fordern würde, war uns schon klar, aber wie sehr uns die Sonne zusetzten würden, haben wir nicht erwartet.
Wir starteten auf einer Höhe von etwa 900 Metern und "mussten" auf den nächsten 8 Kilometern nochmal 900 Höhenmeter zulegen, da der Horcada de Valcavao mit 1794 Metern aus der Erde guckt. Ab da sollte es dann gleichmäßig sachte bergab nach Portilla gehen.

Sobald wir den Ort verlassen hatten, war es vorbei mit schattigen Wegen, es ging ausschließlich durch Wiesen oder so lichte Wälder, dass es auch dort keinen Schatten gab. Dieses Problem hat bei uns beiden allerdings einen komplett unterschiedlichen Stellenwert. Bei meiner Schwester haben sich offensichtlich die Gene des maurischen Zweiges? unserer Familie durchgesetzt, zart gebaut und ziemlich mediterran, sie geht bei jedem Kennenlernen völlig problemlos als Spanierin oder Portugiesin durch. Ich hingegen repräsentiere eher den westfälischen Teil der Sippe- etwas wuchtiger und deutlich heller. Bei so einer Kombi stellt sich nicht die Frage, wer ständig nach einer Pause brüllt, um sich mal wieder einzureiben. Wenn ich das aber regelmäßig mache, verwandle selbst ich mich nach ein paar Tagen in den Hauttyp Vollmilchschokolade, während Petra bereits nach zwei Tagen Sonne eindeutig zartbitter ist. Jetzt haben wir an den Paar Tagen an der Küste und den Weg von dort bis hierher schon ein wenig vorgeglüht, also ging es mit viel Sonnencreme, aber empfindliche Typen sollten heute im wahrsten Sinne des Wortes "mal etwas dicker auftragen."

Landschaftlich war der Aufstieg bis zum Gipfel ein Traum, ständig begegneten einem Kuhherden oder man sah am gegenüberliegenden Hang freilebende Gruppen von Pferden. An jeder Tränke haben wir alle Gliedmaßen unters Wasser gehalten und unsere klatschnassen Bufftücher auf den Kopf gesetzt, damit wir nicht völlig verblödet in Portilla ankommen. Oben am Gipfel war es dann erstaunlich kühl und windig, sodass wir unsere Pause nach kurzer Zeit zum Puerto de Pandetrave, 3,5 km weiter und rund 200 Meter tiefer, verlegt haben.

Nachdem wir uns ein wenig gestärkt und ausgeruht hatten, sind wir fröhlich für die letzten 10 Kilometer aufgebrochen. Gut, dass wir kurz nach dem Pass noch einmal an einer Tränke alle Flaschen gefüllt und alle Tücher nass gemacht hatten, denn von nun an ging es ausschließlich auf der Strasse und in der Sonne weiter. Zwischenzeitlich begegneten uns zwei Schafherden - eine mit Schäfer und Herdenschutzhund, die zweite nur mit Hund. Und der nahm seine Aufgabe offensichtlich ziemlich ernst und fand diese beiden rotgesichtigen Typen mit bunten Tüchern auf dem Kopf und schwingenden Stöcken in der Hand nicht sehr Vertrauen erweckend. Als dieser Bello nun mit seiner beeindruckenden Körperfülle und seiner sehr sonoren Stimme bis auf etwa fünf Meter Abstand auf uns zustürmte, wurde uns doch ein wenig anders. Wir rissen uns unsere Tücher vom Kopf, hielten die Stöcke still und warteten, ob er uns als harmlose Pilger identifizieren würde. Hat er offensichtlich. Er hat dann noch ein paar Minuten "auf dicke Hose" gemacht, während wir kurz davor standen uns in dieselbe zu machen. Als er der Meinung war, uns ausreichend beeindruckt zu haben, hat er sich gönnerhaft abgewendet und uns passieren lassen, nicht ohne noch ab und zu lautstark an seine Anwesenheit zu erinnern. Jetzt wär ein kleiner Flachmann von Nöten gewesen:rolleyes:.

Auf dem weiteren Weg trafen wir noch ein paar Kuh- oder Pferdeherden mit Hund. Die standen allerdings nicht auf der Strasse, sondern auf den Wiesen neben der Strasse und deshalb haben die Hunde mal kurz auf sich aufmerksam gemacht und gut war es. Eine zweite direkte Begegnung mit einem solchen Hund hätte ich ohne anschließenden Schnaps auch niemals überlebt.

In Portilla de la Reina sind wir in der Albergue de Portilla eingekehrt, eher einem Hostal als einer klassischen Herberge. Wir waren mal wieder die einzigen Gäste und wurden mit eisgekühlten Getränken empfangen, eine Wohltat nach diesem Tag. Die Zimmer sind klasse, das Essen sensationell und die Wirtsleute sehr sehr nett. Als wir Ihnen von unseren Erlebnissen mit dem Hund berichteten, haben sie uns erzählt, dass es in den umliegenden Bergen nicht nur viele Wölfe, sondern durchaus auch einige Bären gibt und daher diese Hunde völlig selbstständig Tag und Nacht auf die Herde aufpassen müssen. Uns war das im Prinzip schon bekannt, aber solche Bodyguards mal "live" bei der Arbeit zu erleben, ist dann doch sehr beeindruckend.

Sie sprachen auch davon, dass es ganz langsam mehr wird mit den Pilgern auf dem Vadiniense. Es ist sicher nicht einfach, an einem so abgelegenen Ort sein Auskommen zu verdienen. Dadurch, dass die Kantabrischen Berge nur rund 80 Kilometer Luftlinie von der ziemlich rauen Biskaya entfernt lägen und die Winter hier lang und sehr schneereich wären, ginge die Saison, in der der Vadiniense relativ sicher begehbar ist, nur von Mitte Mai bis September. Hauptsächlich leben sie von Wochenendwanderern. Im Vorjahr hatten sie 29 Pilger beherbergt und in diesem Jahr waren wir Mitte Juni bereits Pilger Nummer 12 und 13 und sie waren sehr zuversichtlich bis Jahresende noch 50 zu erreichen. 50 Pilger ....... sieht man auf dem Frances an manchen Stellen ja schon aus dem Augenwinkel.

Nach einem hervorragenden Fischmenue und dem lang ersehnten anschließendem Schnaps haben wir noch lange mit den Wirtsleuten zusammen gesessen und geklönt. Ein toller, ereignisreicher Tag.


Schluss für heute, später mehr
 
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ich habe doch noch die nächste Etappe beschrieben - das war so Klasse.


Portilla de la Reina – Horcadas



Nach einer schon wieder sagenhaft erholsamen Nacht haben wir uns recht früh auf den Weg gemacht, denn für heute waren erstmals Temperaturen rund um die 30 Grad vorhergesagt und es war klar, dass es wieder eine ziemlich sonnige Angelegenheit werden würde.

Leider führt der Weg aus den Bergen in Richtung Leon hauptsächlich über asphaltierte Straßen. Also mussten wir heute Morgen erst schlappe acht Kilometer auf der Straße zurücklegen, bevor wir mal ein wenig Gras unter die Stiefel bekamen.
Glücklicherweise ist auf dieser Straße ja kein Aas unterwegs, sodass es nicht der Verkehr ist der stört, sondern wirklich nur die Straße selbst. Doch auch von der Fahrbahn aus, hatten wir tolle Ausblicke auf die umliegende Landschaft und nach knapp zwei Stunden war der Spuck ja auch für erste vorbei und morgens ist so eine Straße für das Tempo durchaus hilfreich, denn noch tun die Füße nicht weh, und man läuft doch einiges weg.

Zwischen Barniedo de la Reina und Boca de Huergano durften wir dann tatsächlich mal eine Stunden lang über Waldwege laufen, die, zugegebenermaßen, wirklich sehr schön waren.

In Buca war dann aber endgültig Schluss mit Lustig und mit mussten, nach einer kurzen Pause und einem süßen Teilchen aus der ortseigenen Tienda, wieder auf der Straße Richtung Stausee von Riano weiterlaufen.

Da die letzten Jahre wohl ziemlich trocken waren und der Stausee zur Versorgung von Leon ziemlich zur Ader gelassen wurde, lagen die hinteren Teile des Sees trocken. Wir also mitten rein in das Bett des Sees und weg von der Straße. Das war ohne Probleme möglich, denn der Seegrund war offensichtlich schon lange trocken gefallen.
Kurz hinter der Ermita de San Bartolomé tauchte dann plötzlich doch Wasser auf und wir mussten wieder auf die Straße wechseln.

Langsam näherten wir uns dem kleinen Städchen Riano, wo wir etwas essen und einige Einkäufe für das Abendessen und Proviant für Morgen kaufen wollten.
Mittlerweile war es brüllend heiß und da die Straße direkt am Seeufer entlangführte, war Schatten mal wieder Fehlanzeige. Positiv denken – weit und breit keine Hunde.

In Riano trafen wir ganz knapp vor der Siesta ein und haben mit der Besitzerin des kleinen, aber erstaunlich gut sortierten Ladens einen klar gemacht, dass wir jetzt unsere Klamotten aussuchen und bezahlen und sie die Sachen im klimatisierten Verkaufsraum hinter der nicht verschlossenen Tür stehen läßt. Niemand würde zu Zeiten der Siesta jemals versuchen, ob der Laden geöffnet sei, sodass keine Gefahr bestünde, dass irgend jemand unbefugtes dort eindringt – außer uns. Ist das nicht herrlich unkompliziert.

Wir haben dann in einer Bar eine Kleinigkeit gegessen und gefühlte vier Liter getrunken und sind dann in Richtung Horcadas losgetrottet.

Da es immer heißer wurde, und die Knochen nach der lange Pause etwas schwer waren, mussten wir uns zum Aufbruch richtiggehend zwingen, aber wir hatten uns ja, wie uns geraten wurde, telefonisch in Horcadas angemeldet und wurden dort erwartet.
Also – nicht rummemmen, A.…backen zusammen kneifen und los geht’s.

Beim Ausmarsch aus Riano passierten wir eine ziemlich große Brücke, von der wir sehr schöne Fotos über den See, mit den Bergen im Hintergrund, schießen konnten. Kurz nach der Brücke kam ein ca. 200 Meter langer Tunnel und bei dem geringen Verkehrsaufkommen und dem breiten Gehweg im Tunnel haben wir uns in der herrlich kühlen Luft erstmal ganz geschmeidig ein weiteres Päuschen gegönnt, schließlich waren es ja nur noch fünf Kilometer bis Horcadas.

Nun durften wir zum Abschluss des Tages für eine kurze Zeit tatsächlich mal wieder die Straße verlassen und liefen, erstaunlich frisch, kurze Zeit später in unserem wieder mal ziemlichen kleinem und ziemlich menschenleeren Zielort ein.

........
 

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Dort befindet sich die Pilgerherberge direkt am Ortseingang und die Bauarbeiter der Baustelle gegenüber schickten uns wegen des Schlüssels zu Molly in die Bar des Ortes.

Molly ist d i e Institution Horcadas und hat die Lage trotz ihrer geschätzten 85 Lenze total im Griff. Blöd wie wir sind, dachten wir nicht an die Siesta und haben bei Molly geklingelt, als wir die Bar verschlossen vorfanden. Unter dem Ausstoß von wütenden Flüchen kam sie die Treppe runter und öffnete die Tür.

Als sie uns etwas bedröppelt dastehen sah und nach kurzer Nachfrage auf Spanisch erkannte, dass wir keine Eingeborenen waren, war sie gleich sehr viel versöhnlicher und flötete uns in gebrochenem Englisch zu, dass wir für die Ruhestörung während der Siesta aber heute Abend in ihrer Bar einkehren müssten, um das wieder gut zu machen. Sicherheitshalber hat sie uns mit dem Herbergsschlüssel direkt zwei kleine Fläschchen San Miguel in die Hand gedrückt, damit wir in der Herberge erstmal den Staub der Straße runterspülen könnten. Bezahlen durften wir nur die Herberge, das Bier sollten wir dann bei unserem Besuch heute Abend bezahlen – raffiniert;) – aber wenn man nicht mehr von uns verlangt, als abends in einer Bar zu erscheinen.

Wir nahmen also unser Quartier in Beschlag und waren begeistert.


DI E M U T T E R A L L E R P I L G E R H E R B E R G E N – The best Ever!!!!


Unten befand sich die Küche/Aufenthaltsraum mit allem was das Herz begehrt. Offener Kamin und ordentlich Holz nebendran, Herd mit Ofen, Spülmaschine, Kaffeemaschine, Toaster, Wasserkocher und, und, und. Zusätzlich gab es Spülmittel, Trockentücher, Kaffee, Filtertüten, diverse Tees, Gewürze aller Art, Öl, Essig, einfach alles. Nebenan war der Hauswirtschaftsraum mit Waschmaschine und natürlich auch Waschpulver und Wäscheklammern und oben ein großer Schlafraum mit vier Stockbetten und direkt anliegendem Badezimmer. Dass in der Dusche eine volle Flasche mit Shampoo stand, wird sicher keinen mehr überraschen. Ein zweiter Schlafraum mit Bad war verständlicherweise verschlossen.

So eine tolle Küche - und wir beiden schlauen kaufen alles für einen Salat ein, weil man ja nie weiß, was der Spanier unter einer „vorhandenen Küche“ versteht. Konnte ja keiner ahnen.

Nachdem wir uns die beiden Fläschchen San Miguel reingetan hatten und duschen und Waschmaschine anschmeißen auch erledigt war, betrat Alberto die Arena.

Augenscheinlich ist Alberto neben Molly, die die eigentliche Herberge betreut, in Horcadas für das seelisch-moralische Wohlbefinden des dort gestrandeten Pilgers zuständig. Alberto erschien mit ner Flasche Rotwein unter dem Arm und ein paar Tortillas auf dem Tablett in der Herberge und lud uns ein, mit ihm draußen auf der Bank neben der Herberge Platz zu nehmen und die paar Tortillas mit dem bisschen Wein runterzuspülen.

Er sprach recht gut Englisch und erzählte uns, dass im ganzen Ort in der Woche lediglich 25 meist alte Leuten wohnen würden und sich jeder Einwohner über die wenigen Pilger freut, die ein bisschen Abwechslung ins Dörfchen bringen. Wie sagte er so schön: „Wer hierher kommt, den lassen wir nicht lange alleine“. Das mag sein, aber wir waren ja noch nicht mal zwei Stunden da! In jedem Falle hatte er sich für unser Gelage, vielleicht nach Mollys Bar, d e n strategisch besten Platz im Ort ausgesucht, denn nach und nach kamen, wie bestellt und „ganz zufällig“, mindestens die Hälfte der derzeitigen Einwohner bei uns vorbei, aßen eine Tortilla, tranken einen Schluck Wein aus einem vierten Glas, das Alberto wie zufällig dabei hatte und Alberto verkündete Ihnen währenddessen alle Informationen über uns, die er zwischenzeitlich aus uns „heraus gekitzelt“ hatte. Natürlich ließ er uns auch nicht über sich und seine Freunde aus dem Dorf im Unklaren und so wußten wir recht zügig, wer mit wem verwandt ist, wer wie viele Kinder hat, wessen Kinder leider im Ausland leben usw.

Das war sooo schön.

Als alle wirklich wichtigen Informationen ausgetauscht, alle Tortillas verspeist und die Flasche Rotwein geleert war, mussten wir nur noch unseren Salat zubereiten, um uns eine halbwegs ordentliche Grundlage zum Besuch bei Molly zu verschaffen. Wir wußten ja nicht, dass sich die Versorgungssituation komplett anders darstellen würde.

Wir hatten aber nach dem Auftritt von Alberto so eine Ahnung, was da heute Abend in Mollys Bar abgehen könnte. Aber es kam viel „dicker“ als wir es erwartet hatten. Vermutlich wurde die Information über unser Eintreffen im Ort auf geheimen Kanälen an die wenigen Einwohner verbreitet, die uns noch nicht bei unserem Gelage auf der Bank kennengelernt hatten.

In Mollys Bar und auf der winzigen Terrasse stapelten sich 18 Leute, wobei für uns noch zwei Plätze draußen freigehalten wurden, weil wir ja nach der Nummer mit den San Miguel Fläschchen heute Nachmittag quasi gesetzte Gäste waren.

Bei unserem Eintreffen gab es ein großes Hallo, Molly und Alberto begrüßten uns wie alte Freunde mit Küsschen rechts und links und wir wurden herumgereicht, wie der verlorene Sohn nach seiner Rückkehr. Als erstes bekamen wir jeder einen Teller Linsensuppe als Grundlage für den nun beginnenden Abend.

Alberto hatte nämlich Molly gesteckt, dass wir zum Abendessen lediglich Salat hatten und gemeinsam hatten sie beschlossen, dass das ja unmöglich eine ordentliche Mahlzeit sein könne, nachdem man bei der Hitze fast 30 Kilometer gelaufen ist. Nun kann man uns mit Linsen immer eine Freude machen und als wir Mollys Frage nach einem zweiten Teller, gut erzogen wie wir sind, mit „Ja“ beantworteten, hatten wir ihr Herz endgültig erobert. Für die „gewöhnlichen“ Gäste des Events hatte Molly kleine Schälchen mit Nüsschen und Oliven und diverse Häppchen mit Jamon y Queso vorbereitet. Alles war offensichtlich generalstabsmäßig geplant. Die einzigen Besucher der Fete, die erst nach dem Krieg geboren wurden, waren, außer uns, der im Dorf lebende 28jährige italienische Imker Luca mit seiner spanischen Frau. Wir vier hatten besonders viel Spaß und als wir nach unseren bisherigen Erlebnissen auf dem Camino befragt wurden und von dem Zusammentreffen mit dem Hund berichteten, klopften sich alle belustigt auf die Schenkel. Es floss ziemlich viel Rotwein und im weiteren Verlauf des Abends konnten wir auch nicht jeden angebotenen Hierbas ablehnen – das wäre ja hochgradig unhöflich gewesen und das gehört sich nicht.

Als es dann schon fast Mitternacht war und neben Molly und Alberto nur noch Luca da war, haben wir unsere Schulden vom Nachmittag und den Rotwein vom Abend bezahlt, nicht ohne eine Spende für die Herberge da zu lassen. Das mussten wir aber schon fast mit Waffengewalt erzwingen, denn wenn es nach Molly und Alberto gegangen wäre, wären wir völlig für lau aus der Nummer rausgekommen.

Durch unseren Besuch hatten die Dorfbewohner mal wieder einen Anlass bei Molly einen drauf zu machen und wir hatten einen wunderschönen Abend, den wir wahrscheinlich in unserem Leben nie mehr vergessen werden. Das war der H A M M ER
 
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Hedi

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Diplom Sozialarbeiterin
Ist das spannend und informativ und seeehrrr unterhaltsam. Ach das Pilgerleben, es macht Freude. Hedi
 

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Horcadas – Cistierna


Nach dem wundervollen Abend gestern fiel uns der Abschied von Horcadas ziemlich schwer und deshalb sind wir einfach noch zwei Stunden länger geblieben. Als wir gegen 8:00 Uhr aufbrechen wollten, öffneten sich die Himmelsschleusen und es kam ein Gewitter runter, das die haushaltsüblichen Mengen an Wasser und Radau weit überschritten hat. Es war fast schon ein bisschen beängstigend, aber wir waren uns ziemlich sicher, das Molly für den Fall der Fälle bestimmt noch Linsensuppe für uns parat hätte und so haben wir die Kaffeemaschine einfach ein zweites Mal angeschmissen und das Problem maximal entspannt ausgesessen.

Als wir uns dann um kurz nach 9 auf den Weg gemacht haben, mussten wir uns zwar noch eintüten, aber wirklich feste hat es nicht mehr geregnet. Bis zum Mittag gab es im Viertelstundentakt immer mal etwas leichten Regen, dann wieder Sonne usw. Also das passende Wetter um unter der Regenpelle so richtig zu ölen.

Glücklicherweise haben wir uns beide einen Poncho von Decathlon gegönnt, den man vorne komplett mit einem Reissverschluss öffnen kann, damit die Ausdünstungen den Weg ins Freie finden. Wenn es allzu warm wird, kann man bei diesem Poncho aus den Ärmeln schlüpfen und das ganze rumbaumelnde Gedöns zwischen Rucksack und Rücken schieben. Der Poncho bleibt bei dieser Taktik auf dem Rucksack liegen, muss also nicht ständig an- und ausgezogen werden, und hält den Rücken dabei schön warm, ohne dass man vor Hitzestau krepiert. Wenn´s dann wieder anfängt zu dröppeln, friemelt man einfach alles wieder raus, schlüpft in die Arme, macht den Reissverschluss zu und ist in höchstens 30 Sekunden maximal verpackt. Ich meine, der Poncho kostete ca. 35,- €.

So gingen wir dann also von Horcadas in Richtung Nationalstrasse, auf der wir dann über eine Stunde weiter gestiefelt sind. Dabei taucht rechts noch einmal ein Seitenarm des Sees auf. Kurz vor der Staumauer muss man dann nochmal einen kurzen Tunnel durchqueren. Hier sollte man die Augen offen halten, denn kurz vor Tunnelende, ich glaube wir sahen schon die Strasse auf der Staumauer, führen einen die an dieser Stelle recht blassen Pfeile nach links durch einen Seitenausgang aus dem Tunnel raus zu einem kleinen Wasserkraftwerk – die Parole lautet also: Aufpassen!!!

Von hier bis Verdiago verläuft der Weg dann sehr schön oberhalb des Rio Esla mit teils beeindruckenden Felsformationen. Auch hier sollte man die Augen offen halten, denn ab und zu ist ein Abzweig mal nicht sooo deutlich mit Pfeilen versehen, aber im Prinzip kann man sich immer am Fluss zur Rechten orientieren.

Zwischendurch haben wir uns in Cremenes in einer kleinen Bar ein Bocadillo und einen Cola Cao gegönnt.

In Verdiago wechselt man dann die Flussseite und folgt dem teils recht wilden Flüsschen immer flach durch die schöne Gegend. Wir trafen zwischendurch eine ganze Mannschaft von Wildwasserkanuten, die dort ihr Training absolvierten. Schon sehr beeindruckend, wie sie es schaffen, sich gegen die Wassermassen zu stemmen. Die haben aber auch ein Kreuz wie ein Kleiderschrank, mit denen haben wir uns besser mal nicht angelegt;)

Kurz vor Cistierna muss man dann wieder auf die linke Flussseite wechseln und könnte durch das recht triste Städtchen zur Herberge laufen, die auch gut ausgeschildert war. Die Herberge selbst ist ziemlich schlicht und recht lieblos eingerichtet, erfüllt aber, bis auf eine Küche, alle Grundbedürfnisse des Pilgers. Richtig fies waren aber die massenhaften Hinterlassenschaften und der Gestank der gefühlt 20 Katzen vor dem Gebäude, die beim Warten auf den sehr netten Hospitalero um uns rumstreunten. Wir sind in Sachen Herberge recht anspruchslos und, wie gesagt, die Herberge selbst ist drinnen im Prinzip völlig ok, zumal für 5,- €, aber es gibt bestimmt schönere Orte zum Schlafen in Cistierna. Es ist eben nicht jeder Tag ein Sonntag!

Da wir heute doch recht spät los gelaufen sind, sind wir nach dem duschen dann nur noch zum Einkaufen gegangen, haben uns in der neben dem Supermarkt liegenden Bar einen Humpen Bier gegönnt, unseren fertigen Salatpott, zwei Bocadillos und ein paar Leckereien mitgenommen und den Abend im Aufenthaltsraum der Herberge ausklingen lassen.
 

Camino-Kumpane

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Hallo zusammen,

für alle, die wie ich, gerne mal vorab, oder auch während der Tour, auf eine Karte schauen, gibt´s bei www.outdooractive.com etwas zu holen.

Dort habe ich vor meiner Tour 2017 von irgendeiner spanischen Internetseite ein paar Karten eingespeisst. Unter den Stichworten "Lebaniego" und "Vadiniense" könntet Ihr schon mal einen Blick riskieren.

Um mit diesen Karten während der Tour richtig navigieren zu können, könntet Ihr die App auf Euer Handy laden, müsstet Euch dort (kostenpflichtig) anmelden und sie offline speichern. Online sind sie (kostenlos) immer verfügbar. Das ist jetzt natürlich keine Werbung, sondern nur ein kleiner Hinweis.

Tschüß

Michael
Der Camino-Kumpane
 

Camino-Kumpane

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Cistierna – Gradefes


Als wir in der Herberge in Cistierna aufwachten, strahlte die Sonne schon voller Tatendrang in unseren Schlafraum und es war abzusehen, dass sie heute ihre ganze Kunst zum Besten geben würde – und das tat sie dann auch den ganzen Tag mit allen ihr zur Verfügung stehenden Kräften.

Wir konnten ja nicht ahnen, dass das nur der Anfang werden würde, denn ab heute sollten wir 14 Tage lang bei voller Oberhitze durchgegart werden.

Wir frühstückten also in Ruhe eine Kleinigkeit und sind dann, wie immer wenn es nicht gerade gewittert, um etwa 8 Uhr aufgebrochen.

Ruckzuck waren wir raus aus Cistierna und durch schöne Landschaften stapften wir in Richtung der römischen Brücke von Mercadillo, wo wir uns endgültig vom Rio Esla verabschieden mussten. Schade eigentlich. Wir liefen jetzt zwar immer parallel und relativ nah am Fluss weiter, aber gesehen haben wir ihn nie wieder.

Mit jedem Meter, den wir uns von Cistierna entfernten, wurden die Berge um uns herum etwas weniger hoch und ab Mittag haben wir erkannt, dass wir spätestens Morgen in der Meseta ankommen würden – allerdings fühlte es sich schon heute angesichts von mehr als 35 Grad exakt so an.

Wir kamen zwar durch diverse kleine Örtchen, die aber außer Brunnen leider alle keinerlei Pilgerinfrastruktur zu bieten hatten und so machten wir das, was der Pilger dann so macht. Diverse Körperteile unter kaltes Wasser halten, nasse bunte Tücher um den Kopf schlingen, großzügig und regelmäßig am Wasservorrat nuckeln und mit Adleraugen nach schattigen Pausenplätzen Ausschau halten.

Wir hatten gestern beim Stöbern auf der Gronzeseite schon festgestellt, dass wir uns heute einen Barbesuch über Tag schon mal von der Backe putzen konnten, und so hatten wir bei unserem Einkauf im Supermarkt mit einem Rollgriff die halbe Obsttheke eingesackt. Neben den zwei Litern Wasser für jeden schleppte unsere Kombo auch noch vier Apfelsinen, zwei Bananen, zwei Nektarinen, ein dröges Bocadillo und eine Dose Thunfisch durch die Pampa. Zusammen mit dem Studentenfutter sollte das den gröbsten Hunger stillen.

Jetzt wäre vielleicht der richtige Zeitpunkt zu erwähnen, dass ich meine Schwester nicht nur gut leiden kann, ich liebe sie sogar – außer sie hat Hunger!! Und sie hat oft Hunger – und das entwickelt sich dann ganz rasant zu einem dramatischen Notfall. Wenn die nicht ständig isst, wird sie ganz schnell ziemlich garstig:mad:, und das will man bei 35 Grad nicht erleben. Im Sinne einer gelösten Pilgeratmosphäre packte ich also heute Morgen brav alles außer ihr Wasser in meinen Überseerucksack und wähnte mich gut gerüstet für den Tag.

Mittlerweile führte uns der Weg durch diverse Wiesen und Pappelplantagen, vorbei an bewässerten Getreidefeldern. Wir hörten das Wasser plätschern, kamen nur leider nicht ran, weil zwischen uns und dem kühlen Nass in den Betonbetten tiefe Gräben waren.

So schleppten wir uns weiter bis Carbajal de Rueda, wo wir ein schattiges Plätzchen für unsere Mittagspause fanden, und das, was wir nicht schon zwischendurch gemampft hatten genüßlich verzehrten. Glücklicherweise haben wir diverse Wasserstellen gefunden, die auch als Trinkwasser gekennzeichnet waren, sodass wir hier weiterhin aus dem Vollen schöpfen konnten.

Als wir dann nach der Pause weiterliefen, flimmerte die Luft über den Wegen und es wurde fast unerträglich heiß. In Villacidayo konnten wir unsere Flaschen nochmal füllen, die Knochen unters kalte Wasser halten und setzten uns das tropfnasse Bufftuch auf den heißen Schädel.

Die letzte Stunde bis Grafedes war wirklich eine Schinderei und als der Feldweg auf die Straße traf und schon die ersten Häuser zu sehen waren, haben wir uns erstmal in den schattigen Graben geschmissen und ein paar Minuten durchgeatmet.

Wie als Entschädigung fanden wir dann ziemlich zügig in Gradefes eine offene Bar, die auch noch alkoholfreies Radler ausschenkte, und schon hatten wir in Nullkommanix jeder zwei Krüge davon intus. Unser Tempo machte auf die Einheimischen tüchtig Eindruck:eek: und aus den vorliegenden Indizien schlossen sie sehr schnell, das wir Deutsche sein müßten. Wir hatten aber auch nen Zug am Leib.

Auf dem Weg zur Herberge haben wir dann das Kloster Maria la Real und den kleinen Supermarkt gesehen, die wir beide noch besuchen wollten. Die Herberge ist das letzte Haus im Ort, ist großzügig mit einer Pilgermuschel gekennzeichnet und liegt direkt auf dem Jakobsweg, es ist also kein zusätzlicher Meter erforderlich – das war heute genau richtig für uns.

Der Hospitalero erschien ein paar Minuten nach unserem Anruf und führte uns in dieses Prachtstück von Herberge. Von außen ein unscheinbares, dreistöckiges Haus, aber die inneren Werte sind Spitze.

Die Herberge befindet sich in der ersten Etage des Hauses, hat einen Schlafraum mit zwei Einzelbetten und zwei weitere Schlafräume mit je zwei Stockbetten, dazu zwei schöne Badezimmer, Waschmaschine und eine vorbildlich ausgestattete Küche mit allem Pipapo. Der Aufenthaltsraum mit Sofas und Tisch, einer Stereoanlage und gut sortiertem CD-Bestand an spanischer Musik, sowie die beiden überdachten Balkone rundeten das perfekte Bild ab. Dazu sah alles aus wie geleckt und war wegen der geschlossenen Rolladen herrlich kühl und der Hospitalero war sichtlich stolz, als er unsere Begeisterung mitbekam – zu Recht. Und das alles zum gleichen Preis wie die doch recht minimalistische Herberge in Cistierna – unglaublich, wie machen die das?

Zuerst schwitzen wir mal in Ruhe zu Ende, bevor wir das Zimmer mit den Einzelbetten in Beschlag nahmen und uns nacheinander duschten, denn man muss ja nicht mit zwei Leuten auch noch zwei Badezimmer benutzen.

In der Küche standen große Gallonen mit Trinkwasser aus dem Supermarkt und wir waren uns nicht sicher, ob das Service war, oder das Wasser aus den Leitungen nicht zum Trinken und kochen geeignet war.

Wir stellten dann noch fix die Waschmaschine an und gingen die paar Meter ins Zentrum des Ortes zurück, um das Kloster und anschließend den Supermarkt zu besuchen.

Leider konnten wir nicht in die Klosterkirche und daher entschlossen wir uns, schnell die Einkäufe zu erledigen und uns dann den Sofas im Aufenthaltsraum zuzuwenden.

Der Miniladen hatte alles, was für ein ordentliches Abendessen mit Nachtisch in Spanien benötigt wird. Chorizo, Paprika, Tomaten, Kartoffeln, Yoghurt und Rotwein wanderten für unser geplantes Festmahl in unsere Einkaufsbeutel. Um den heutigen Salzverlust auszugleichen, haben wir noch eine Jumbotüte Chips mitgenommen – sicher ist sicher. Dazu noch Obst und Kekse für morgen und Bocadillos und etwas Wurst zum Frühstück. Kaffee gab es in der Herberge und so schnappten wir uns kurz vor der Kasse noch so eine Gallone mit Wasser als Ersatz für das vorhandene Wasser in der Herberge, denn das wollten wir entweder noch trinken, oder für morgen in unsere Flaschen füllen.

Schwer beladen schlichen wir nun durch die immer noch heißer werdende Luft zur Herberge zurück und legten uns statt auf die Couch, erstmal auf die kalten Fliesen, die in der ganzen Herberge waren.

Den großen sonnigen Balkon nach vorne raus nutzten wir später zum Wäsche aufhängen, Wäscheständer und Klammern waren auch vorhanden und auf dem hinteren, schattigen Balkon an der Küche haben wir dann gegessen – und das alles unter den Klängen spanischer Musik mit einem gepflegten Gläschen Rotwein in der Hand.

Was ist das Pilgerleben doch schön:rolleyes:!!!
 

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Gradefes – Punte de Villarente

Nach einer göttlichen Nacht in diesem herrlich kühlen Pilgerhimmel, gönnten wir uns zu Beginn des Tages jeder zwei Tässchen Kaffee, der neben der Kaffeemaschine übrigens auch vorhanden war, knabberten ganz in Ruhe unsere Bocadillos zum Frühstück und riskierten mal einen Blick auf Gronze.

Wir beschlossen, heute ab San Miguel de Escalada nicht in Richtung Mansilla de las Mulas weiter zu laufen, sondern eine Variante direkt nach Punte de Villarente zu nehmen. Ich konnte mich erinnern, dass der Weg von Mansilla nach Puente de Villarente nur durch eine schmale Gebüschreihe getrennt, direkt an der viel befahrenen Nationalstraße entlang führt, was bei mir schon 2012 keine Freudenschreie ausgelöst hat, eher im Gegenteil, denn da war es auch so brüllend heiß. Aber das war ja alles noch Zukunftsmusik.

Nach dem Frühstück verstauten wir unsere Brocken im Rucksack, spülten alles kurz weg und legten noch 20 € mit einem lieben Gruß als zusätzliche Spende auf den Tisch im Aufenthaltsraum, denn diese Herberge steht keiner privaten Unterkunft in irgendeinem Punkt nach, und die kosten ja schließlich auch gerne mal 12-15€, zurecht natürlich. Das hätten wir eigentlich in Horcadas auch tun sollen, aber aufgrund der Aufregung mit dem Gewitter, ist uns das einfach komplett durchgegangen.

Es deutete sich schon beim Verlassen des Hauses an, dass die Sonne gestern ihr Pulver noch lange nicht verschossen hatte und sich gerade zu einem neuen Frontalangriff auf zwei kleine Pilger sammelt. Zu Beginn ging es aber zuerst nach links eine ganze Weile die schöne schattige Straße entlang aus dem Ort raus in Richtung Cifuentes de Rueda.

Die Landschaft war immer noch etwas hügelig und so ganz nach Meseta sah es morgens noch nicht aus, aber die Temperaturen waren schon wieder auf sehr kuscheligem Niveau. Cifuentes de Rueda ist, ich brauche es wahrscheinlich nicht extra zu erwähnen, ebenfalls ein Ort ohne Bar:confused:, aber mit Wasserstellen in Hülle und Fülle. Offensichtlich war hier vor kurzen eine Fiesta, oder es kommt bald eine, denn der ganze Ort war großzügig mit Fähnchen überspannt. Wir liefen nach einer kleinen Trinkpause dann ohne großartige Unterbrechung weiter bis San Miguel de Escalada. Wir hätten vorher noch einen kurzen Schlenker zum Kloster machen können, haben aber erst in San Miguel gemerkt, dass wir schon am Abzweig dorthin vorbei sind, und zurücklaufen wollten wir nicht mehr. Eigentlich total doof, wann kommen wir hier jemals wieder hin und uns treibt ja keiner, aber wir konnten uns nicht aufraffen, wieder zurück zu laufen.

In San Miguel wollten wir ja auf die Variante nach Punte de Villarente abbiegen, fanden aber keine Pfeile. Was macht man als Pilger, wenn man ein wenig ratlos ist? Essen und Trinken natürlich und so haben wir hier mal locker fast 1 1/2 Stunden unter einem schattigen Baum auf einer Bank verbracht und unseren Rucksack um ein paar Pfund erleichtert.

Jetzt machte sich auch mal meine OutdooractiveApp bezahlt, auf der ich Karten des Vadiniense gespeichert hatte, die ich irgendwo im Internet aufgestöbert habe. Im Schatten unter den Bäumen konnte man unsere Position und den weiteren Wegverlauf auch einwandfrei lesen, nur im gleissenden Sonnenlicht später auf der Strecke war es ein bisschen schwierig.

Kurz vor Aufbruch füllten wir unsere Flaschen nochmals auf, durchnässten die Tücher und bogen dann wild entschlossen von der Straße ab in Richtung Nichts. Und von diesem Nichts gab es in der kommenden Stunde verdammt viel.

Dadurch, dass ich das Display meines Handys kaum lesen konnte und Pfeile auch keine da waren, sind wir ein bisschen durch die Gegend geirrt, auch wenn die grobe Richtung stimmte. Ab und zu ein kleiner Pfeil beruhigt den Pilger doch ungemein.

Was hätte ich in diesen Momenten für die schattige Straße von heute Morgen gegeben, aber zum Glück hatten wir ja wenigstens genug zu trinken dabei. Ich habe immer einen Getränkehalter vorne am Hüftgurt des Rucksacks befestigt, in dem dann die gerade angezapfte Flasche geparkt wird. So komme ich, auch wenn ich alleine unterwegs bin, jederzeit an meine Flasche und muss nicht ständig zum Trinken den Rucksack absetzen. Bei meinem alten Rucksack kam ich auch beim Laufen noch an die Flaschen in den seitlichen Netztaschen, aber bei diesem Megateil auf meinem Rücken ist da nichts mehr zu holen – oder sollte ich im Laufe der Jahre etwas an Gelenkigkeit eingebüßt haben:(? Wie dem auch sei, so einen Getränkehalter für ein paar Euro kann ich nur jedem empfehlen.

Als wir die Ruinen des Klosters von San Pedro sahen und dann abknickten, waren wir praktisch schon in der Einflugschneise zum Tagesziel. Ab jetzt nur noch zwei Stunden. Mit dieser Variante haben wir uns nicht nur die lange Nationalstraße zwischen Mansilla und Puente de Villarente gespart, sondern sie wäre auch noch ein oder zwei Kilometer kürzer gewesen, wenn wir nicht ein wenig umher geirrt wären.

Wir trafen dann kurz vor der Brücke über den Rio Porma auf den Camino Frances und rechneten mit einer wahren Pilgerschwemme, aber es kam tatsächlich kein einziger Pilger. Direkt nach der Brücke ging es dann in einer kurzen rechts-links-Kombination in die Herberge San Pelayo, die ich schon von meinem Camino mit meinen Freunden 2009 und meinem Solo-Frances 2012 kannte.

Die Herberge hatte in den letzten fünf Jahren an Schönheit nichts eingebüßt, im Gegenteil. San Pelayo ist auf eine sehr schöne und großzügige Weise rustikal, hat zwei große Schlafräume mit jeweils etwa 10 Einzelbetten und einen wunderbar großen grünen Garten mit Tischen, Stühlen und Liegen, in dem auch die Waschmaschine steht, oder man von Hand waschen kann. Mittlerweile hatten sie den Kuhstall zu Zimmern umgebaut, die vermietet werden. Das Essen ist lecker, die Getränke kommen dort zügig und gut gekühlt auf den Tisch:D - was will man mehr. Ein weiterer großer Vorteil des Etappenziels Puente de Villarente ist die mit rund 12km relativ kurze Etappe nach Leon am nächsten Tag.

Wir richteten uns also häuslich in unserem nur spärlich belegten Zimmer ein, gingen Duschen und genossen die Siesta im Garten auf der Liege. Beim Essen lernen wir dann Lucy und Jean aus Quebec kennen, die wir bis Santiago immer mal wieder trafen.

Von hier aus liefen wir dann noch 14 Lauftage auf dem Camino Frances bis Santiago und haben viele beeindruckende Pilger kennengelernt. Jamie und Chris aus unserer englischen Partnerstadt Newcastle zum Beispiel, die, völlig planlos und ohne jede Info über Herbergen und Wegverlauf unterwegs waren und sich einfach nur auf Ratschläge und Empfehlungen der anderen Pilger verließen, oder Svenja, die trotz massivem Übergewicht und sehr großen Problemen bei der Hitze immer gut gelaunt und positiv gestimmt war. Dann auch ganz besonders Maren, die wir in Cacabelos beim Bad im Fluss und dann nochmal in Villafranca trafen. Speziell Maren hat uns umgehauen, als sie uns von ihren Eindrücken und Erlebnissen als blinde Frau auf dem Camino berichtete.

Diese vier Wochen zusammen mit meiner Schwester Petra unterwegs zu sein, war eines der ganz ganz großen Geschenke, von denen ich schon so viele auf meinen Caminos bekommen habe.

Ich wünsche Euch allen, dass Ihr Eure Wege genauso gesund wie wir beiden übersteht und genauso unvergessliche Erlebnisse habt, wie wir sie hatten.


Buen Camino

Michael
 
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Gertrudis

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Lieber Michael,

Danke für den Bericht! Das macht viel Spaß und sehr Lust auf diesen Weg!
Nur schade, dass ihr das Kloster San Miguel verpasst habt...dahin bin ich im letzten Jahrtausend extra mal 2 Tage querfeldein durch die Meseta gelaufen, von Burgo Ranero aus (ohne gps und dergl. natürlich, mit einer Karte 1:200000, und ich erinnere mich noch, wie mich die besorgten Dorfmütterchen händeringend von diesem Vorhaben abhalten wollten) - und da hätt ich mich jetzt gefreut, zu erfahren, wie es da heutzutage zugeht...aber so hab ich noch einen Grund, dort vorbei zu pilgern :)

Und dann wünsch ich Dir/Euch auch weiterhin so großartige Wege und buen camino!

Gertrudis
 
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