Hilfe zu einem Jahrbuchsbeitrag

Roland_1969

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Hallo liebe Mitpilger,

man hat mich gebeten, einen Bericht über meinen Jakobsweg für unser Doppeljahrgangs-Jahrbuch zu verfassen und ich habe versucht, so kurz wie möglich zu bleiben, ohne allzu viel wegzulassen. Vielleicht habt ihr noch Anregungen zu Änderungen, hier kommt der (immer noch etwas längliche) Bericht:


Mein Jakobsweg – Camino francès 2019

Nach Film und Lektüre des Buches „Ich bin dann mal weg“ wich meinem ursprünglichen Plan, den 160 km langen Rennsteig durch Thüringen zu gehen dem Vorhaben, die gut 800km des Jakobswegs von Frankreich nach Santiago de Compostela in Nordspanien zu wandern.

Also Flüge gebucht und fleißig trainiert, so dass ich gut vorbereitet am 30.06.2019 im Flieger saß, der mich über Paris nach Bayonne brachte. Von da mit dem Lokalzug nach Saint-Jean-Pied-de-Port am Fuße der Pyrenäen, von wo viele Pilger aufbrechen. Dort wurden alle Reisenden freundlich empfangen und mit dem obligatorischen Pilgerausweis ausgestattet und einer Herberge zugewiesen.

Am ersten Juli frühmorgens ging es los, bereits die erste Etappe wartet durch die Pyrenäenüberquerung mit einer der größten Anstrengungen der gesamten Pilgerung auf.

In den nächsten zwei Tagen ging es über das Kloster Roncesvalles und dem Örtchen Larrasoaña nach Pamplona, was einer Woche vor San Fermin, der weltberühmten Stierhatz, bereits voll war von vielen Touristen, die daran teilnehmen wollten.

Von Pamplona ging es über den „Alto del Perdón“ mit den berühmten Pilgerfiguren aus Stahl über weinrebgesäumten Wegen nach Puente de la Reina. Von hier aus nach Los Arcos, was mit 43km der längste Einzelabschnitt war, den ich gegangen bin. Kurz darauf überschreitet man die Grenze zum weltberühmte Weinbaugebiet des Rioja, wo ich in Logroño, der nächsten größeren Stadt nach Pamplona, in einer öffentlichen Herberge mit etwa 50 weiteren Pilgern unterkam.

Nun standen weitere 2 Pilgertage im Rioja an, die mich über die alte Königsstadt Nájera, wo ich glücklicherweise das letzte freie Bett im Ort ergattern konnte und dem kleinen Ort Grañon, in dem ich in einer Kirche schlief, führten. Die Kirchenherberge ist eine sogenannte „Donativo“, man spendet für die Übernachtung, was man für richtig hält. Gemeinsames Singen, Essen und Lachen mit etwa 25 weiteren Pilgern inklusive.

Inzwischen war ich in Begleitung einer kleinen Pilgergruppe aus Amerikanern, einer Australierin und zeitweise einer Brasilianerin. Der nächste Ort war Burgos mit seiner riesigen, gothischen Kathedrale. Ab hier beginnt die Meseta, eine trockene Hochebene, die man in 5-6 Tagen bis León durchwandern kann.

Die Meseta ist „speziell“, man steht in den Herbergen um ca. 5 Uhr auf, damit man bis zum Sonnenaufgang noch im dunkeln unterwegs ist. So versucht man, der größten Mittagshitze zu entgehen, die im Sommer häufig Temperaturen von mehr als 35° erreicht. Die Landschaft schattenfrei und karg und im Sommer goldgelb von trockenen Kornfeldern, die der Ernte entgegensehen. Zeit und mangels Ablenkung auch Muße, die Gedanken schweifen zu lassen.
Jeder Schritt bringt den Wanderer seinem Ziel, Santiago de Compostela, näher.

Kurz hinter León gesellte sich zu meiner kleinen Gruppe noch eine Finnin hinzu, die erst hier in den Pilgerweg einstieg. Hinter León geht es wieder in die Berge, in deren Mitte das „Cruz de Ferro“, der höchste Punkt und Höhepunkt des Pilgerweges liegt. Hinter dem Cruz de Ferro gilt es innerhalb von drei bis vier Stunden knapp 1000 Höhenmeter abzubauen, um in Molinaseca Station zu machen.

Die nächsten Tage geht man über Astorga, Ponferada mit seiner riesigen Burganlage mitten in der Stadt und Triacastela, meinem letzten Übernachtungsort vor der 100km-Marke in Sarria. Auf dem Weg nach Sarria kommt man noch am bekannten Kloster Samos vorbei, einer über 1200 Jahre alten Klosteranlage, die heute im Renaissance- und Barockstil erstrahlt.

Mit dem Eintreffen in Sarria hat man dann fast den 100km-Punkt erreicht. Das ist die Entfernung, die man mindestens zu Fuß zurücklegen muss, um in Santiago de Compostela ein Zertifikat zu erhalten.

Hier trifft man auch auf viele Spanier, die sich diese Stadt, auch auf Grund der verkehrsgünstigen Lage, als Startpunkt für ihre Pilgerung ausgewählt haben. Ab dieser Stadt sind die einsamen Momente auf jeden Fall vorbei, die Pilgerdichte ist merklich höher, als auf den ersten 700km.

Über Portomarin, Palas de Rei und Ponte Campaña strebt man schnellen Schrittes seinem Ziel entgegen und wird sich langsam bewusst, dass der Pilgerweg sich seinem Ende zuneigt. Für meine letzte Etappe über Melide und Arzúa hatte ich mir eine ganz neu eröffnete Albergue in A Rúa herausgesucht, die erst ein halbes Jahr in Betrieb war. Dementsprechend ruhig war es und alle Einrichtungen befanden sich in gutem Zustand, was nicht in allen Herbergen so war, und auch die Herbergsbetreiber waren noch neu im Metier.

Dann kreisen die Gedanken: noch einmal schlafen und 26km gehen und ich bin am Ziel.

Der letzte Tag wartete mit Regen auf, erst langsam nieselnd und je näher man Santiago de Compostela kam immer heftiger, teilweise gewitterartig. Aber selbst der stärkste Regen kann den Pilgermassen, mit denen man jetzt unterwegs ist, die Laune nicht verderben. Immer schneller läuft man mit vielen singenden und jubelnden Mitpilgern über den Monte de Gozo mit seinem Pilgerdenkmal in Richtung der Innenstadt und dem Platz der Kathedrale. Noch kurz ein Selfie vor dem mit Hüten, Fahnen und anderen Pilgerutensilien geschmückten Ortsschild geht es über kleine, verwinkelte Gassen der Altstadt in Richtung des Praza do Obradoiro, dem Platz der Kathedrale. Hier lassen sich viele Pilger von ihren Gefühlen überwältigen und man sieht viele, inzwischen komplett durchnässte Pilger, sich in den Armen liegen. Zeit, um seinen hinter sich liegenden Weg, nichts anderes heißt Camino, Revue passieren zu lassen und ein wenig zu reflektieren.

Also schnell in der vorgebuchten Herberge einchecken und ins Pilgerbüro in der Nähe der Kathedrale um das Zertifikat, welches immer noch in Latein ausgestellt wird, abzuholen. Dabei wird der Pilgerausweis kontrolliert, ob man die Bedingungen auch erfüllt hat. Leider war der traditionelle Gang in die Kathedrale auf Grund von Sanierungsmaßnahmen nur wenigen Pilgern vorbehalten.
Vor dem Pilgerbüro traf ich einige Mitpilger meiner aus den Augen verlorenen Gruppe wieder, sodass wir uns verabredeten, abends zum Abschluss des Pilgerweges nochmals gemeinsam essen zu gehen.

Mein Fazit: einen Jakobsweg kann ich nur jedem empfehlen! Ich war selten in meinem Leben so entspannt und bewusst unterwegs, wie auf dem Jakobsweg!

Einfach mal für einige Wochen raus aus dem Alltagstrott. Auf dem Jakobsweg lernt man sich nochmals ganz neu kennen. Und man lernt seinem Körper zu vertrauen. Man lernt aber auch Mitpilger aus aller Herren Länder kennen: am ersten Abend beim Essen in Roncesvalles waren wir Pilger aus Russland, Polen, Dänemark, Deutschland, Italien und den Niederlanden am Tisch. Unterwegs traf ich noch Koreaner, Amerikaner, Portugiesen, Kanadier, Spanier, Franzosen, Schweizer, Polen und viele andere Nationalitäten mehr. Man lernt jeden Mitpilger wertzuschätzen, alle haben das gleiche Ziel, jeder bringt andere Qualitäten mit auf den Weg. Wenn man Hilfe benötigt, braucht man nicht lange fragen, alle sind hilfsbereit und eine Sprachbarriere gibt es kaum.

Eine Erfahrung, die ich jedem nur wärmstens ans Herz legen möchte!

Ich bin für jeden Tip dankbar!

Vielen Dank im Voraus!

BC
Roland
 

Via2010

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Hallo Roland,

von der Länge her finde ich Deinen Bericht nicht zu umfangreich. Allerdings sind die Nennungen mancher Ortsnamen - ohne das damit eine eingehendere Beschreibung verbunden wäre - für den "bisher-noch-nicht-Pilger" verwirrend bis erschöpfend.

Der Anfang scheint noch etwas holprig, sowohl auf Deinem weg als auch in Deinem Beitrag. Am Schluss ahnt man die Faszination allerdings heraus.

Vermisst habe ich die Beschreibung eines typischen Pilgertages und (knappe) Ausführungen zur Pilgerausrüstung. Ich erinnere mich an ungläubige Nachfragen im Bekanntenkreis - was? Nur 3 Unterhosen und 3 T-Shirts? - eigentlich schon eines zu viel, vor allem wenn man sein Gepäck selbst auf dem Rücken trägt.

Die Meseta kommt mir in Deinem Bericht etwas zu karg weg, liegt möglicherweise daran, dass ich die weite Landschaft und die nur halb bewohnten, langsam verfallenden Dörfer als besonders beeindruckend empfunden habe. Hier erlebt man doch noch das ursprüngliche Spanien abseits der Touristenströme, einerseits Großagrarier mit Weizenfeldern bis zum Horizont, andererseits Feldraine mit einer seit Kindertagen vermissten Vielfalt an Blumen und Insekten - vor allem Schmetterlinge wie bei Hape.

Auch ein kleiner Schlenker zur spanischen Hausmannskost oder regionalen Spezialitäten wie "pulpo" in Melide könnte den Unterhaltungswert erhöhen.
 

angel2969

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hallo roland,
ich würde die die besonderheit vom Cruz de Ferro noch erwähnen, O Cebreiro finde ich auch wichtig,
Die Reihenfolge der durchpilgerten Strecke würde ich am Anfang in einem Satz schreiben, und dafür wie schon Alexandra erwähnt den Ablauf eines Pilgertages, Ausrüstung ( nicht jedes Teil). Dafür kann man den Teil in Santigo kürzen auf Abholung der Pilgerurkunde mit den Voraussetzungen und vielleicht noch deine Gefühlslage bei Ankunft in Santiago. Längenmässig würde ich bei deinem Entwurf bleiben.
ach ich könnte so los laufen, die meseta fand ich aber auch ganz toll. ich hatte pilger getroffen, die diese Strecke statt zu Fuß mit dem Fahrrad zurückgelegt haben, ist auf dieser Strecke gut machbar und eine alternative wenn man nicht genug Zeit hat.
bc angel
 

beemaster

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"Einfach mal für einige Wochen raus aus dem Alltagstrott. Auf dem Jakobsweg lernt man sich nochmals ganz neu kennen. Und man lernt seinem Körper zu vertrauen. Man (lernt) begegnet aber auch Mitpilger(n) aus aller Herren Länder (kennen): am ersten Abend beim Essen in Roncesvalles waren wir Pilger aus Russland, Polen, Dänemark, Deutschland, Italien und den Niederlanden am Tisch. Unterwegs traf ich noch Koreaner, Amerikaner, Portugiesen, Kanadier, Spanier, Franzosen, Schweizer, Polen und viele andere Nationalitäten mehr. Man lernt jeden Mitpilger wertzuschätzen, alle haben das gleiche Ziel, jeder bringt andere Qualitäten mit auf den Weg. Wenn man Hilfe benötigt, braucht man nicht lange fragen, alle sind hilfsbereit und eine Sprachbarriere gibt es kaum."

So würde ich anfangen. Das ist viel spannender als "Erst entschloss ich mich, dann tranierte ich,dann flog ich über A nach B, und mit dem Zug nach C." Da ist der Leser abdem ersten Wort mittendrin.

Dass du den Rennsteig machen wolltest, wird nur wenige interessieren. Aber die Leser sind neugierig, was du gefühlt hast, als du trotz Blasen weitergegangen bist, Wo du überall durchgekommen bist,können die wenigsten nachvollziehen; wenn du zBPamplona erwähnst,solltest du aber mehr als nur den Namen nennen -und was ist San Fermin? León nichtg nur erwähnen, sondern auch die prachtvolle Kirche schildern. Name dropping vermeiden, wenn du davon ausgehen musst, dass die Leser die Orte nicht kennen, und wenn du Orte nennst, sie ein wenig beschreiben.

Alltag des Pilgers: Das Packen im Morgengrauen, die ersten Kilometer bis zum Sonnenaufgang, willkommene Pause in einer Bar, die Hitze des Tages, der Regen, das Ankommen am Ziel (Siegerbier?), Handwäsche, ruhen, reden, essen, feiern,wie riecht die Meseat am Abend? Wie die Herberge?

Sind aber nur Vorschläge.

Auch Ausrüstung beschreiben: Das Wenige,das man wirklich braucht.
 
G

Gast

Guest
sers,

😀


..... für mich hast es großartig beschrieben, was es ausmacht, den weg zu gehen.
das gefühl dass dahintersteht.
da ist das siegerbier nur eine klitzekleine sache.
der triumph es geschafft zu haben,
an diesem einen tag,
weitergegangen zu sein.
trotz hitze, regen, kälte, schweisss, staub, bequemlichkeit und schwere,
über sich hinaus.
salud und:
licht auf dem weg,

♥️lich ralph
hach, ich würd so gerne.....
 
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Roland_1969

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Hallo und meinen Dank an alle Mitforenten, die ihren "Senf" dazugegeben haben!

Ich poste hier einmal zum Schluss meinen Jahrbuchsbeitrag, der im August veröffentlicht wird:
Mein Jakobsweg – Camino francès 2019

Nach Film und Lektüre des Buches „Ich bin dann mal weg“ wich meinem ursprünglichen Plan, den 160 km langen Rennsteig durch Thüringen zu gehen dem Vorhaben, die gut 800km des Jakobswegs von Frankreich nach Santiago de Compostela in Nordspanien zu wandern.

Also Flüge gebucht und und Informationen gesammelt, so dass ich gut vorbereitet am 30.06.2019 im Flieger saß, der mich über Paris nach Bayonne brachte. Als Gepäck hatte ich nur meinen Rucksack dabei, der lediglich zwei Mal Wechselwäsche, zwei Paar Socken, zwei T-Shirts, ein Longsleeve und Fleecejacke für kühlere Tage, Regenponcho, meine Waschtasche, eine Miniverbandstasche, eine kurze und eine lange Trekkinghose sowie Trekkingsandalen und Wanderstiefel, zwei kleine Handtücher und ein Seideninlet als Schlafack enthielt. Dazu noch mein Smartphone, eine kleine Digitalkamera samt Zubehör, einen Karabiner, eine Stirnlampe und ein paar Sicherheitsnadeln, denn je weniger Gewicht man trägt, desto besser! Mein gesamtes Gepäck wog nur knapp über 5kg und ich fühlte mich dennoch bereit für alles was da kommen sollte!

Von Bayonne ging es mit dem Lokalzug nach Saint-Jean-Pied-de-Port am Fuße der Pyrenäen, einem häufig genutzen Startpunkt für viele Pilger. Dort wurden alle Reisenden freundlich empfangen und mit dem obligatorischen Pilgerausweis ausgestattet und einer Herberge zugewiesen.

Am ersten Juli frühmorgens lief ich, trotz Müdigkeit, da ich vor Aufregung wenig geschlafen hatte, gut gelaunt in Morgenfrische und Nebel los. Bereits die erste Etappe wartete durch die Pyrenäenüberquerung fast mit der größten Anstrengung der gesamten Pilgerung auf. Die gleichzeitig laufenden Pilger verloren sich in den über die Berge treibenden Wolken und Hochnebel. Mehr schemenhaft sah ich in der Ferne auch Pferde und Schafe grasen, die dort frei umherlaufen dürfen.

In den nächsten zwei Tagesetappen wanderte ich vom Kloster Roncesvalles über Larrasoaña nach Pamplona, was einer Woche vor dem neuntägigen Fest des Heiligen San Fermin, der weltberühmten Stierhatz, bereits voll war von Touristen, die daran teilnehmen wollten.

Von Pamplona ging es über den „Alto del Perdón“ mit den bekannten Pilgerfiguren aus Stahl über mit Weinfeldern gesäumten Wegen nach Puente de la Reina. Von hier aus nach Los Arcos, der mit 43km Strecke der längste und anstrengenste Einzelabschnitt war, den ich am Stück unterwegs war.
Kurz darauf überschritt ich die Grenze zum weltberühmte Weinbaugebiet des Rioja, wo mich in Logroño, der nächsten größeren Stadt nach Pamplona, die öffentliche Herberge mit etwa 50 weiteren Pilgern erwartete.

Nach den ersten fünf Tagen kam ich auch mit dem Pilgeralltag gut zurecht. Der typische Pilgertag sieht meist so aus: um ca. 5-6 Uhr aufstehen, Waschen und Zähneputzen, Rucksack packen und der Herberge lebewohl sagen. Dann bis ca. 9 Uhr das erste Teilstück gehen und ein kleines Frühstück, häufig bestehend aus Cafe con leche (Milchkaffee) und Tortilla die aus Eiern, Zwiebeln und Kartoffeln besteht oder einem Bocadillo (Sandwich mit Käse und Schinken) in einer der vielen Kaffeebars am Rande des Weges zu sich nehmen. Frisch gepresster Orangensaft rundet das Frühstück ab.
Im Anschluss gehen die meisten Pilger bis zur Mittagszeit oder dem frühen Nachmittag weiter, je nach ausgewählter Übernachtungsmöglichkeit und Kraft. An der Herberge angekommen, das übliche Prozedere aus Check-in, Stempel in den Pilgerpass, Bett suchen, ein Siegerbierchen um sich für die Anstrengung zu belohnen. Danach Rucksack auspacken, Duschen gehen und anschließend seine Wäsche von Hand waschen. Für die Hauptmahlzeit, das abendliche Pilgermenü, findet sich meist eine Gruppe Mitpilger, mit der man in eine Bar oder Restaurant gehen kann. In vielen Herbergen gibt es auch gut ausgestattete Küchen, wo die Pilger gemeinsam lecker und günstig kochen können.

Unterwegs konnte man in den vielen durchwanderten Orten in mit Waren vollgestopften Minilädchen Getränke und Snacks kaufen, die die notwendigen Kalorien zum Weitermachen brachten. Größere Supermärkte fand man lediglich in den Städten.

Nach Logroño standen weitere 2 Pilgertage im Rioja an, die mich über die alte Königsstadt Nájera, wo ich glücklicherweise das letzte freie Bett im Ort ergattern konnte und dem kleinen Ort Grañon, in dem ich in einer Kirche schlief, führten. Die Kirchenherberge ist eine sogenannte „Donativo“, man spendet für die Übernachtung, was man für richtig hält. Gemeinsames Singen, Essen und Lachen mit etwa 25 weiteren Pilgern und den Hospitaleros (den Herbergsbetreibern) inklusive.

Inzwischen war ich in Begleitung einer kleinen Pilgergruppe aus Amerikanern, einer Australierin und zeitweise einer Brasilianerin. Der nächste Ort war Burgos mit seiner riesigen, gothischen Kathedrale. Ab hier beginnt die Meseta, eine trockene Hochebene, die es in 5-6 Tagen bis León zu durchwandern galt.

Die Meseta ist „speziell“, man steht in den heißen Monaten in den Herbergen um ca. 5 Uhr auf, damit man bis zum Sonnenaufgang noch in der frischen Morgenluft unterwegs sein kann.
So versucht man, der größten Mittagshitze zu entgehen, die im Sommer häufig Temperaturen von über 35°C erreicht! Die durchwanderte Landschaft schattenfrei und karg und im Sommer goldgelb von riesigen, trockenen Kornfeldern, die der Ernte entgegensehen. Dazwischen das Braun von bereits frisch gepflügten Feldern. Zeit und mangels Ablenkung auch Muße, die Gedanken schweifen zu lassen. Jeder Schritt brachte mich meinem Ziel, Santiago de Compostela, näher.

Kurz hinter León mit der imposanten, fast im Ursprungszustand erhaltenen Kathedrale, gesellte sich zu meiner kleinen Gruppe noch eine Finnin hinzu, die erst hier in den Pilgerweg einstieg. Hinter León ging es über Astorga und Rabanal wieder in die Berge, in deren Mitte das „Cruz de Ferro“, der höchste Punkt und für viele Pilger der Höhepunkt des Pilgerweges, liegt. Je höher ich kam, umso grüner und bewaldeter wurde die Landschaft wieder. Hinter dem Cruz de Ferro galt es innerhalb von drei Stunden knapp 1000 Höhenmeter abzubauen, um in Molinaseca Station zu machen.

Die nächsten Tage lief ich durch eine leicht hügelige, vom Weinbau geprägte Landschaft über Ponferada mit seiner riesigen Tempelritter-Burganlage mitten in der Stadt, O’Cebreiro, einem typisch galizischen Bergdorf und Entstehungsort der jeden Jakobspilger auf dem Weg begleitenden gelben wegweisenden Pfeile und Triacastela, meinem letzten Übernachtungsort vor der 100km-Marke weiter in Richtung Westen. Auf dem Weg nach Sarria kommt man noch am bekannten Kloster Samos vorbei, einer über 1200 Jahre alten Klosteranlage, die heute im Renaissance- und Barockstil erstrahlt.

Mit dem Eintreffen in Sarria erreichte ich dann fast den 100km-Punkt. Das ist die Entfernung, die man mindestens zu Fuß zurücklegen muss, um in Santiago de Compostela ein Zertifikat zu erhalten.

Hier traf ich auch auf viele spanische Pilger, die sich diese Stadt, auch auf Grund der verkehrs-günstigen Lage, als Start für ihre Pilgerung ausgewählt haben. Ab dieser Stadt waren die einsamen Momente auf jeden Fall vorbei, die Pilgerdichte war merklich höher, als auf den ersten 700km.

Über Portomarin, Palas de Rei und in meinem Fall dem kleinen Örtchen Ponte Campaña strebte ich schweren Schrittes meinem Ziel entgegen und es wurde jedem Pilger langsam bewusst, dass der Weg sich schneller als erwartet seinem Ende zuneigt. Für meine letzte Etappe über Melide und Arzúa hatte ich mir eine ganz neu eröffnete Albergue herausgesucht, die erst ein halbes Jahr in Betrieb war. Dementsprechend ruhig war es und alle Einrichtungen befanden sich in gutem Zustand, was nicht in allen Herbergen der Fall war, und auch die Herbergsbetreiber waren noch neu im Metier.

Dann kreisen die Gedanken: noch einmal schlafen, 26km gehen und ich bin schon am Ziel. Aber welches Ziel?

Der letzte Tag wartete mit Regen auf, erst langsam nieselnd und je näher man Santiago de Compostela kam immer heftiger, teilweise gewitterartig prasselte der Regen auf meinen Poncho. Aber selbst der stärkste Regen kann den Pilgermassen, mit denen man jetzt unterwegs ist, die Laune nicht verderben. Immer schneller läuft man mit vielen singenden und ob des in Sichtweite liegenden Endes des Pilgerwegs sichtlich aufgewühlten Mitpilgern über den Monte de Gozo mit seinem Pilgerdenkmal in Richtung der Innenstadt und dem Platz der Kathedrale. Nach einem Selfie vor dem mit Hüten, Fahnen und anderen Pilgerutensilien geschmückten Ortsschild geht es über kleine, verwinkelte Gassen der Altstadt in Richtung des Praza do Obradoiro, dem Platz der Kathedrale.
Hier lassen sich viele Pilger von ihren Gefühlen überwältigen und man sah viele, inzwischen komplett durchnässte Pilger, sich in den Armen liegen. Zeit, um seinen hinter sich liegenden Weg Revue passieren zu lassen und ein wenig zu reflektieren, dem Treiben auf dem Platz zuzusehen und die kontinuierlich eintreffenden Pilger zu beobachten.

Ich selbst war erstaunt, wie flott ich die 800km zu Fuß hinter mich gebracht habe, dass mir in den 27 Tagen materiell nichts gefehlt hat, ich habe Kameradschaft unter Pilgern kennengelernt und jede Menge nette Menschen, die ich unterwegs traf. Die Gastfreundschaft in den Pilgerherbergen war phänomenal, die Pilgermenüs immer schmackhaft, landestypisch und preiswert, nur der traditionell in Galizien servierte Pulpo, also Tintenfisch, lag mir nicht.

Nachdem ich mich erholt und gesammelt hatte, habe ich schnell in die von unterwegs vorgebuchten Herberge eingecheckt. Anschließend war ins Pilgerbüro in der Nähe der Kathedrale gegangen, um das Zertifikat welches immer noch in Latein ausgestellt wird, abzuholen. Dabei wurde der Pilgerausweis kontrolliert, ob man die Bedingungen auch erfüllt hat. Leider war der traditionelle Gang in die Kathedrale auf Grund von Sanierungsmaßnahmen nur wenigen Pilgern vorbehalten. Vor dem Pilgerbüro traf ich einige Mitpilger meiner aus den Augen verlorenen Gruppe wieder, sodass wir uns verabredeten, um abends zum Abschluss des Pilgerweges nochmals gemeinsam essen zu gehen.

Mein Fazit: einen Jakobsweg kann ich nur jedem empfehlen! Ich war selten in meinem Leben so entspannt, bewusst und nachhaltig (Müllsammeln) unterwegs, wie auf dem Jakobsweg! Es war teilweise anstrengend aber jeder Schritt hat sich gelohnt!

Einfach mal für einige Wochen raus aus dem Alltagstrott, zurück zu den Basics! Auf dem Jakobsweg lernt man sich nochmals ganz neu kennen. Und man lernt seinem Körper zu vertrauen. Man lernt aber auch mit extrem wenig auszukommen, denn alles was man braucht, muss man auch tragen! Und man lernt Pilger aus aller Herren Länder kennen: am ersten Abend beim Essen in Roncesvalles waren wir Pilger aus Russland, Polen, Dänemark, Deutschland, Italien und den Niederlanden am Tisch. Unterwegs traf ich noch Koreaner, Amerikaner, Portugiesen, Kanadier, Spanier, Franzosen, Schweizer, Polen und viele andere Nationalitäten mehr. Man lernt jeden Mitpilger wertzuschätzen, alle haben das gleiche Ziel, jeder bringt andere Qualitäten mit auf den Weg. Man sieht unterwegs Pilger zu Pferde und auf dem Fahrrad in jedem nur erdenklichen Alter vom Baby in der Karre bis zum über 80-jährigen, der flotten Schrittes andere Pilger lässig überholt. Wenn man Hilfe benötigt, braucht man nicht lange fragen, alle sind hilfsbereit und eine Sprachbarriere gibt es kaum. Für viele Menschen strahlen daher die Pilgerwege, die es in ganz Europa gibt, eine Faszination aus, die ich inzwischen auch nachvollziehen kann. Wie heisst es so schön in Pilgerkreisen: der Jakobsweg gibt dem Pilger nicht dass, was der Pilger möchte, sondern dass, was er braucht. Buen Camino!

Eine Erfahrung, die ich jedem nur wärmstens ans Herz legen möchte. Denn der Weg ist das Ziel

Ich habe einige Passagen ergänzt oder erweitert. Das "Namedropping" lässt sich nicht unbedingt vermeiden, da dieses Jahrbuch einem intelektuell extrem breit aufgestellten Publikum zugänglich ist und die Orte sich gut eignen, eine gewisse Struktur in den Text zu bringen, die zudem noch gut per google zu ermitteln sind. Das Erklären des Cruz de Ferro erspare ich mir, das wäre einfach zu lang.

BC
Roland
 
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Ich sage es ganz offen und stelle mich dem Shitstorm: Was mich ein wenig stört ist, dass nur die äußere Reise beschrieben wird. Was ich aber nicht weiß ist, ob genau das gewünscht wurde.
 

Roland_1969

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Ich sage es ganz offen und stelle mich dem Shitstorm: Was mich ein wenig stört ist, dass nur die äußere Reise beschrieben wird. Was ich aber nicht weiß ist, ob genau das gewünscht wurde.
Das Jahrbuch geht an ein zutiefst säkulares Publikum! Wenn ich die Beweggründe, die Einstellungsänderungen und die gesamten inzwischen eingetretenenen Effekte beschreiben wollte, würde ich alleine mit meinem Beitrag den Rahmen des gesamten Jahrbuchs sprengen.
Also beschränke ich mich zwangsweise auf die sicht- und messbaren Dinge. Daher auch das Weglassen der Bedeutungserklärung des Cruz de Ferro.

Das ist schon volle Absicht. Ich sollte keinen Roman, sondern einen Kurzbericht abgeben.

BC
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Das Jahrbuch geht an ein zutiefst säkulares Publikum! Wenn ich die Beweggründe, die Einstellungsänderungen und die gesamten inzwischen eingetretenenen Effekte beschreiben wollte, würde ich alleine mit meinem Beitrag den Rahmen des gesamten Jahrbuchs sprengen.
Also beschränke ich mich zwangsweise auf die sicht- und messbaren Dinge. Daher auch das Weglassen der Bedeutungserklärung des Cruz de Ferro.

Das ist schon volle Absicht. Ich sollte keinen Roman, sondern einen Kurzbericht abgeben.

BC
Roland
Dann entschuldige ich mich. Sorry.
 
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