Roland_1969
Peregrin@ Veteran@
Hallo liebe Mitpilger,
man hat mich gebeten, einen Bericht über meinen Jakobsweg für unser Doppeljahrgangs-Jahrbuch zu verfassen und ich habe versucht, so kurz wie möglich zu bleiben, ohne allzu viel wegzulassen. Vielleicht habt ihr noch Anregungen zu Änderungen, hier kommt der (immer noch etwas längliche) Bericht:
Ich bin für jeden Tip dankbar!
Vielen Dank im Voraus!
BC
Roland
man hat mich gebeten, einen Bericht über meinen Jakobsweg für unser Doppeljahrgangs-Jahrbuch zu verfassen und ich habe versucht, so kurz wie möglich zu bleiben, ohne allzu viel wegzulassen. Vielleicht habt ihr noch Anregungen zu Änderungen, hier kommt der (immer noch etwas längliche) Bericht:
Mein Jakobsweg – Camino francès 2019
Nach Film und Lektüre des Buches „Ich bin dann mal weg“ wich meinem ursprünglichen Plan, den 160 km langen Rennsteig durch Thüringen zu gehen dem Vorhaben, die gut 800km des Jakobswegs von Frankreich nach Santiago de Compostela in Nordspanien zu wandern.
Also Flüge gebucht und fleißig trainiert, so dass ich gut vorbereitet am 30.06.2019 im Flieger saß, der mich über Paris nach Bayonne brachte. Von da mit dem Lokalzug nach Saint-Jean-Pied-de-Port am Fuße der Pyrenäen, von wo viele Pilger aufbrechen. Dort wurden alle Reisenden freundlich empfangen und mit dem obligatorischen Pilgerausweis ausgestattet und einer Herberge zugewiesen.
Am ersten Juli frühmorgens ging es los, bereits die erste Etappe wartet durch die Pyrenäenüberquerung mit einer der größten Anstrengungen der gesamten Pilgerung auf.
In den nächsten zwei Tagen ging es über das Kloster Roncesvalles und dem Örtchen Larrasoaña nach Pamplona, was einer Woche vor San Fermin, der weltberühmten Stierhatz, bereits voll war von vielen Touristen, die daran teilnehmen wollten.
Von Pamplona ging es über den „Alto del Perdón“ mit den berühmten Pilgerfiguren aus Stahl über weinrebgesäumten Wegen nach Puente de la Reina. Von hier aus nach Los Arcos, was mit 43km der längste Einzelabschnitt war, den ich gegangen bin. Kurz darauf überschreitet man die Grenze zum weltberühmte Weinbaugebiet des Rioja, wo ich in Logroño, der nächsten größeren Stadt nach Pamplona, in einer öffentlichen Herberge mit etwa 50 weiteren Pilgern unterkam.
Nun standen weitere 2 Pilgertage im Rioja an, die mich über die alte Königsstadt Nájera, wo ich glücklicherweise das letzte freie Bett im Ort ergattern konnte und dem kleinen Ort Grañon, in dem ich in einer Kirche schlief, führten. Die Kirchenherberge ist eine sogenannte „Donativo“, man spendet für die Übernachtung, was man für richtig hält. Gemeinsames Singen, Essen und Lachen mit etwa 25 weiteren Pilgern inklusive.
Inzwischen war ich in Begleitung einer kleinen Pilgergruppe aus Amerikanern, einer Australierin und zeitweise einer Brasilianerin. Der nächste Ort war Burgos mit seiner riesigen, gothischen Kathedrale. Ab hier beginnt die Meseta, eine trockene Hochebene, die man in 5-6 Tagen bis León durchwandern kann.
Die Meseta ist „speziell“, man steht in den Herbergen um ca. 5 Uhr auf, damit man bis zum Sonnenaufgang noch im dunkeln unterwegs ist. So versucht man, der größten Mittagshitze zu entgehen, die im Sommer häufig Temperaturen von mehr als 35° erreicht. Die Landschaft schattenfrei und karg und im Sommer goldgelb von trockenen Kornfeldern, die der Ernte entgegensehen. Zeit und mangels Ablenkung auch Muße, die Gedanken schweifen zu lassen.
Jeder Schritt bringt den Wanderer seinem Ziel, Santiago de Compostela, näher.
Kurz hinter León gesellte sich zu meiner kleinen Gruppe noch eine Finnin hinzu, die erst hier in den Pilgerweg einstieg. Hinter León geht es wieder in die Berge, in deren Mitte das „Cruz de Ferro“, der höchste Punkt und Höhepunkt des Pilgerweges liegt. Hinter dem Cruz de Ferro gilt es innerhalb von drei bis vier Stunden knapp 1000 Höhenmeter abzubauen, um in Molinaseca Station zu machen.
Die nächsten Tage geht man über Astorga, Ponferada mit seiner riesigen Burganlage mitten in der Stadt und Triacastela, meinem letzten Übernachtungsort vor der 100km-Marke in Sarria. Auf dem Weg nach Sarria kommt man noch am bekannten Kloster Samos vorbei, einer über 1200 Jahre alten Klosteranlage, die heute im Renaissance- und Barockstil erstrahlt.
Mit dem Eintreffen in Sarria hat man dann fast den 100km-Punkt erreicht. Das ist die Entfernung, die man mindestens zu Fuß zurücklegen muss, um in Santiago de Compostela ein Zertifikat zu erhalten.
Hier trifft man auch auf viele Spanier, die sich diese Stadt, auch auf Grund der verkehrsgünstigen Lage, als Startpunkt für ihre Pilgerung ausgewählt haben. Ab dieser Stadt sind die einsamen Momente auf jeden Fall vorbei, die Pilgerdichte ist merklich höher, als auf den ersten 700km.
Über Portomarin, Palas de Rei und Ponte Campaña strebt man schnellen Schrittes seinem Ziel entgegen und wird sich langsam bewusst, dass der Pilgerweg sich seinem Ende zuneigt. Für meine letzte Etappe über Melide und Arzúa hatte ich mir eine ganz neu eröffnete Albergue in A Rúa herausgesucht, die erst ein halbes Jahr in Betrieb war. Dementsprechend ruhig war es und alle Einrichtungen befanden sich in gutem Zustand, was nicht in allen Herbergen so war, und auch die Herbergsbetreiber waren noch neu im Metier.
Dann kreisen die Gedanken: noch einmal schlafen und 26km gehen und ich bin am Ziel.
Der letzte Tag wartete mit Regen auf, erst langsam nieselnd und je näher man Santiago de Compostela kam immer heftiger, teilweise gewitterartig. Aber selbst der stärkste Regen kann den Pilgermassen, mit denen man jetzt unterwegs ist, die Laune nicht verderben. Immer schneller läuft man mit vielen singenden und jubelnden Mitpilgern über den Monte de Gozo mit seinem Pilgerdenkmal in Richtung der Innenstadt und dem Platz der Kathedrale. Noch kurz ein Selfie vor dem mit Hüten, Fahnen und anderen Pilgerutensilien geschmückten Ortsschild geht es über kleine, verwinkelte Gassen der Altstadt in Richtung des Praza do Obradoiro, dem Platz der Kathedrale. Hier lassen sich viele Pilger von ihren Gefühlen überwältigen und man sieht viele, inzwischen komplett durchnässte Pilger, sich in den Armen liegen. Zeit, um seinen hinter sich liegenden Weg, nichts anderes heißt Camino, Revue passieren zu lassen und ein wenig zu reflektieren.
Also schnell in der vorgebuchten Herberge einchecken und ins Pilgerbüro in der Nähe der Kathedrale um das Zertifikat, welches immer noch in Latein ausgestellt wird, abzuholen. Dabei wird der Pilgerausweis kontrolliert, ob man die Bedingungen auch erfüllt hat. Leider war der traditionelle Gang in die Kathedrale auf Grund von Sanierungsmaßnahmen nur wenigen Pilgern vorbehalten.
Vor dem Pilgerbüro traf ich einige Mitpilger meiner aus den Augen verlorenen Gruppe wieder, sodass wir uns verabredeten, abends zum Abschluss des Pilgerweges nochmals gemeinsam essen zu gehen.
Mein Fazit: einen Jakobsweg kann ich nur jedem empfehlen! Ich war selten in meinem Leben so entspannt und bewusst unterwegs, wie auf dem Jakobsweg!
Einfach mal für einige Wochen raus aus dem Alltagstrott. Auf dem Jakobsweg lernt man sich nochmals ganz neu kennen. Und man lernt seinem Körper zu vertrauen. Man lernt aber auch Mitpilger aus aller Herren Länder kennen: am ersten Abend beim Essen in Roncesvalles waren wir Pilger aus Russland, Polen, Dänemark, Deutschland, Italien und den Niederlanden am Tisch. Unterwegs traf ich noch Koreaner, Amerikaner, Portugiesen, Kanadier, Spanier, Franzosen, Schweizer, Polen und viele andere Nationalitäten mehr. Man lernt jeden Mitpilger wertzuschätzen, alle haben das gleiche Ziel, jeder bringt andere Qualitäten mit auf den Weg. Wenn man Hilfe benötigt, braucht man nicht lange fragen, alle sind hilfsbereit und eine Sprachbarriere gibt es kaum.
Eine Erfahrung, die ich jedem nur wärmstens ans Herz legen möchte!
Ich bin für jeden Tip dankbar!
Vielen Dank im Voraus!
BC
Roland