Durch die Schweiz und Savoyen, ein Bericht.

Odelaine

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Hallo ihr Lieben,

im August sind wir auf unserem Weg für drei Wochen weitergepilgert, diesmal von Rapperswil in Richtung Lyon.
Für euch folgt ein kleiner Kurzbericht:

- Rapperswil – Einsiedeln:
Nach der Zuganreise haben wir uns auf dieser kurzen Etappe mit einigen Höhenmetern eingelaufen. Im Kloster Einsiedeln fanden wir noch Platz in einem 2-Bett Zimmer, bevor die Klosterpforte schloss. Für Pilger wird im Kloster ein Abendessen zur Verfügung gestellt, was überraschend gut war. Allerdings ist der Klostervorplatz derzeit eine große Baustelle, sodass Erinnerungsfotos nicht ganz leicht zu machen sind. Unbedingt die Gnadenkapelle mit der Schwarzen Madonna besuchen!

- Einsiedeln – Ingenbohl:
Nun ging es durch das Alphtal, mit den Mythen im Blick, die wie zwei große reife Brüste aus der Landschaft ragen und den Weg über das Hagenegg weisen. Nach dem steilen Aufstieg auf Selbiges kommt man an einem Milchbauern mit Pilgerlädli vorbei, welcher selbstgemachte Milchprodukte anbietet. Wir entschieden uns für Früchte-Trinkjoghurt, sehr empfehlenswert, obwohl wir beim Öffnen einer Flasche eine nicht unbeträchtliche Menge in den heißen Wüstensand schütteten. Vom höchsten Punkt unserer diesjährigen Etappe stiegen wir dann nach Schwyz ab, der eidgenössischen Keimzelle, um uns dort auf dem Marktplatz eine Portion überpreistes Glace zu gönnen. Übernachtet wurde im Kloster Ingenbohl, welches ich aufgrund des sehr freundlichen Empfangs und der guten Ausstattung uneingeschränkt empfehlen möchte. Wir beschlossen den Tag mit lecker gekochten Maiskolben, die ein Schweizer Bauer in seiner Gewinnkalkulation leider abschreiben muss.

- Ingenbohl – St. Niklausen:
„Eine Seefahrt die ist lustig …“ Heute schifften wir uns auf dem Vierwaldstätter See ein und schaukelten von Brunnen nach Buochs. Damit sparten wir uns eine ganze Etappe, die man alternativ auch zu Fuß zurücklegen kann. Von Buochs ging es anstrengende 25 km zum Gästehaus Kloster Bethanien, welches vom architektonisch fragwürdigen Betonklotz eine durchaus wundervolle Sicht ins Tal bietet. Mit 50 Fränkli ist man als Pilger dabei.

- St. Niklausen – Lungern:
Gemütlich stapften wir ins Ranft-Tal. Die beiden Ranft-Kapellen laden zum Innehalten ein und gehören zu den Plätzen in denen man spirtuelle Energie besonders gut fühlen kann. Jedenfalls am frühen Morgen, bevor die Herrscharen von Bustouristen einfallen, um ihrem Nationalhelden zu huldigen. Der Abstieg nach Sachseln brachte uns zum Samersee an dem wir einen ausgedehnten Badestopp im glasklaren Wasser einlegten. Mit geweckten Lebensgeister konnte dann der Kaiserstuhl bezwungen werden. Am Lungernsee gibt es dann noch einmal eine wundervolle Gelegenheit zum Planschen, bevor wir dann auf der rechten Uferseite in malerischer Kulisse den See umrundeten um in Lungern in einer Pension zu übernachten.

- Lungern – Brienzwiler:
Am frühen Morgen erklommen wir den Brünigpass. Oben mussten wir auf die versprochene Fernsicht verzichten, im Gegenteil, der Himmel öffnete seine Schleusen und wollte diese für den Rest des Tages nicht mehr schließen. Zügig durchquerten wir den Uochwald und stiegen über den steilen, bei Nässe äußerst rutschigen Saumweg in das Dorf Brienzwiler ab. Zum Glück wurde uns von den Hospitaleros der dortigen Pilgerherberge bereits um die Mittagszeit die Tür geöffnet, sodass wir aus trockener Deckung heraus einen halben Ruhetag mit dem Betrachten der nassen Landschaft zubrachten.

- Brienzwiler – Merligen:
Heute sollte die Sonne uns für den gestrigen Tag entschädigen. Nachdem wir in aller Frühe gemütlich nach Brienz gepilgert waren und dort unsere Essensvorräte im Coop aufgefüllt hatten, warteten wir auf die Fähre, die uns auf die andere Seeseite nach Giessbach bringen sollte. Die wenigen Meter zum Hotel Giessbach und den berühmten Wasserfällen waren schnell erklommen und wurden mit Erinnerungsfotos und leckerem Eis belohnt. Ich wusste gar nicht, dass Magnum neue Eissorten im Angebot hat? Oder unterschied sich das Eissortiment zwischen Schweiz und unserem „Wir schaffen das“-Land? Egal. Wir entschieden uns für Magnum Extra Dark.
Den Brienzersee umliefen wir konsequenterweise auf dem Uferweg der linken Seeseite bis nach Iseltwald. Diese Entscheidung war in vielerlei Hinsicht richtig: Erstens, die Natur ist wunderschön, Zweitens, man läuft im Schatten und Drittens, die Giessbachwasserfälle liegen am Weg.
Von Iseltwald nahmen wir nochmal das Schiff um nach Interlaken zu hopsen. (Ihr seht schon – das Schiff ist für uns ein legitimes Pilgerreisemittel) Ja, in Interlaken herrscht bereits ziemliches Schicki-Micki-Flair und schweizer Ureinwohner sucht man dort vermutlich vergeblich. Jedoch war für uns ehemalige Kletterer der Fernblick auf die berühmten Viertausender Eiger, Jungfrau, Mönch ein Genuss.
Dem Jakobsweg folgend durchquerten wir das Naturschutzgebiet Weissenau. Später luden wieder viele Badestellen zum Planschen ein, was wir auch nutzten. Ein Pilger muss ja schließlich sauber sein! Wichtig ist nur, dass man nicht zu lange im Wasser bleibt, da sonst die Füße weich werden, was beim Weitergehen böse Folgen haben kann. Da wir das aber beachteten und maximal fünf Minuten im Wasser blieben, war alles gut.
Über die idyllischen Sundlauen erreichten wir die Beatushöhlen. Sie schlossen bereits ihre Pforten, aber wir konnten trotzdem noch eine Reihe tolle Fotos schießen. Nach einer lästigen Umrundung eines riesigen Steinbruchs erreichten wir schlussendlich Merligen und damit unser Etappenziel Schloss Ralligen.
Was für ein großartiger Tag!

- Merligen – Blumenstein:
Als wir am Morgen Schloss Ralligen verließen, kamen wir nicht weit. Mit Erreichen der Seestraße wurden wir Zeugen eines Autounfalls. Eine junge Frau verlor auf feuchter Straße die Kontrolle über ihr Fahrzeug, steuerte gegen die Bergseite, überschlug sich und rutschte dann auf dem Dach über die Straße. Glücklicherweise nicht in den See. Nun war erste Hilfe angesagt. Notruf, Frau aus dem Auto holen und beruhigen, Verkehr regeln. Das volle Programm also.
Trotz dieses Schreckens erreichten wir trotzdem noch rechtzeitig die Fähre von Gunten nach Spiez. Der Jakobsweg führte uns dann bei Regen relativ ruhig über Amsoldingen nach Blumenstein. Eine Übernachtung fanden wir bei Oma Martha Zbinden in der Wäsemligasse.

- Blumenstein – Heitenried:
Kurz nach Wattenwil entschieden wir uns den Muttlenberg nicht über Burgistein sondern durch die Grabmatt zu umrunden. Wie sich später herausstellte war das aber nicht die gewünschte Abkürzung sondern kostete uns etwas zusätzliche Höhenmeter. Naja – scheen war‘s trotzdem! Über Riggisberg erreichten wir Rüeggisberg mit seinen Klosterresten, stiegen in die Wislisau ab und danach wieder aufi, wo wir kurze Zeit später an einem kleinen Lädli eintrafen. Ein Schild versprach frisches selbstgebackenes Brot, jeden Mittwoch- und Samstagabend. Was war heute? Mittwoch 17 Uhr? Bingo! Wenn nun der asketische Pilger die Tür zum SB-Lädli öffnet und ihm der Duft von frischem warmem Brot in die Nase steigt dann gibt’s kein Halten mehr. Mmmmm. Lecker!
Über Schwarzenburg erreichten wir erschöpft die Pilgerherberge in Heitenried, jedoch nicht ohne vorher ein neugieriges Füchschen aus nächster Nähe beobachten zu können.

- Heitenried – Fribourg:
Noch einmal sollte uns Starkregen begleiten, und zwar über St. Antoni nach Tafers. Nur durch Zuflucht in den jeweiligen Kirchen am Wegesrand konnten wir immer wieder unsere Ponchos etwas austrocknen. Doch auch der stärkste Regen ist irgendwann vorbei und so erreichten wir trocken Fribourg und die Romandie. In den neuen Pilgerzimmern im Franziskanerkloster haben wir entsprechend ruhig geschlafen.

- Fribourg – Orsonnens:
Heute war der letzte Regentag unser diesjährigen Pilgertour. Relativ ereignisarm strebten wir nach Orsonnens, wo wir im dortigen Kloster übernachten wollten. In dem von Vietnamesen betriebenen Kloster erhielten wir auch ein leckeres Drei-Gänge-Abendessen, was die Extraausgaben wert war.

- Orsonnens – Vucherens:
Nach dem sehenswerten Städtchen Romont genießen wir bald den Ausblick vom Höhenzug Champ Liamon, zurück auf Romont und vorwärts auf das Schweizer Jura. Über den etwas eintönigen Uferweg an der Broye erreichten wir Moudon in dem wir im vorgebuchten Hotel du Gare übernachten wollten. Leider war das Hotel verschlossen und auch die ausgehängten Telefonnummern brachten keinen Kontakt zu Stande. Daraufhin klapperten wir die wenigen anderen Adressen in Moudon telefonisch und persönlich ab. Geschlossen. Belegt. Urlaub. Nix ging. Moudon wollte uns nicht haben.
Doch wie das Pilgerleben so spielt, ergab sich eine Bleibe im 8 km entfernten Vucherens bei Familie Bünzli. So pilgerten wir noch zwei weitere Stunden in den Abend hinein. Im Nachhinein war das eine gute Entscheidung.

- Vucherens – Lausanne:
Ein ruhiger Pilgertag nach Lausanne. In der Stadt quartieren wir uns im Swiss Wine Bar Hotel ein. Empfehlenswert, da gute Zimmer mit toller Aussicht auf die Lausanner Kathedrale. In der Stadt selbst gibt es viel zu sehen.

- Lausanne – Genf:
Da wir Schifffahrten und Wörter mit dreifacher Konsonantenhäufung lieben, entschlossen wir uns Genf auf dem Seeweg zu erreichen. Die dreistündige Überfahrt ist kurzweilig und kurz vor Genf wurden wir auch mit der Mont-Blanc Sicht belohnt, bevor wir unter der Kulisse der Genfer Wasserfontäne in den Hafen einliefen. Der Rest Tages blieb der Stadt vorbehalten.

Gleich gehts weiter ....

Liebe Grüße
Madmoiselle O.
 

Odelaine

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- Genf – Charly:
Nach zwei urbanen Tagen waren wir froh, wieder naturnahe Bereiche zu erreichen. Der Grenzübertritt ist unspektakulär. Der Aufstieg nach Beaumont wird noch einmal mit guten Weitblicken zum Genfer See belohnt. Am Col du Mont Sion besuchten wir Papa Noel, welcher bei Sommerhitze gelangweilt und erschöpft auf einer Gartenbank saß. Der arme Kerl, wäre er nur am Nordpol geblieben. Egal – wir holten uns einen schönen Pilgerstempel von dem Burschen, permanent begleitet von Weihnachtsbedudelung. Die Nacht verbrachten wir in der Pilgerherberge in Charly, wo wir auf einen französischen Pilger stießen, der mit zwei Eselchen unterwegs war. Deren Tagesleistung mit 5 bis 10 km ist dann doch etwas für geruhsames Pilgern.

- Charly – Pelly:
Eine durchaus lange Etappe wurde mit der Gastfreundschaft im Chateau du Pelly belohnt. Die Schlossherren sind sehr freundlich und man kann sich im Turmzimmer für kurze Zeit selbst als kleiner Schlossherr fühlen. Empfehlung!

- Pelly – Culoz:
Die Etappe nach Culoz nähert sich zum Ende hin der Rhone zu. Hier gibt es eine Badestelle, die wir auch nutzten. Allerdings hat das weniger mit Schwimmen als vielmehr mit Reinlegen und Abkühlen zu tun. Übernachtung fanden wir einfach und preiswert in der Gite d’Etape von Culoz für 11 Euronen pro Pilger, zu welcher wir aber durch den ganzen Ort wackeln mussten.

- Culoz – Yenne:
Ein angenehmer Weg mit viel Natur. Der Touristenort Chanaz war optimal zum Eis schlecken. Yenne ist auch eine sehenswerte Kleinstadt, wo wir im ehemaligen Franziskanerkloster übernachteten.

- Yenne – St. Maurice:
Bergwanderung über den Mt. Tournier mit Super Aussichten, immer wieder neu und überraschend, ins Savoyer Land. Die Gite in St. Maurice ist momentan eine Baustelle und deshalb nur eingeschränkt zu empfehlen. Trotz allem war die Hospitalera nett und kochte uns ein leckeres Abendessen. In der Nacht besuchten uns durchs offene Fenster Fledermäuse, welche aber durch das Einschalten von Licht wieder das Weite suchten.

- St. Maurice – Romagnieu:
Ein kurzer Pilger-Sonntag, an dem wir im empfehlenswerten Freibad am Lac du Romagnieu den Nachmittag verbrachten. Leider liegt der Eingang zu dem umzäunten Areal nicht direkt am Jakobsweg, sodass wir uns am Zaun entlang zur anderen Seite durchschlugen. Nette Unterkunft in privater Herberge.

- Romagnieu – Les Abrets:
Wir laufen den kurzen Weg nach Les Abrets, wo wir unsere diesjährige Pilgertour beendeten und am Nachmittag mit Oui-Bus direkt zum Flughafen Lyon fuhren. Dort schliefen wir zwei Nächte im IBIS Airport Hotel.

- Heimfahrt:
Den Tag vor dem Rückflug nutzten wir zur Besichtigung von Lyon. Angetan von dieser Stadt klapperten wir die wichtigsten Sehenswürdigkeiten ab und gingen auf Mädchen-Shopping Tour. Bei unserem Rückflug via Brüssel blieb dann ein aufgegebener Rucksack liegen, da die Gepäckabfertiger spontan die Arbeit niedergelegt hatten. Naja – das gute Teil wurde uns dann zwei Tage später von Lufthansa nach Hause geliefert. Ende gut alles gut.


Liebe Grüße
Madmoiselle O.
 

a pè

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Da kommen Erinnerungen auf. Danke für den schönen Bericht.
 

SYates

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Auch bei mir wurden Erinnerungen wach! Bin fast dieselbe Strecke 2014 gelaufen. Buen Camino de la Vida, SY
 
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