Mein erster Camino

Snoopy99

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Mein erster Camino

Ich fuhr von der Arbeit nach Hause und erkannte „ich brauche eine Auszeit“. Vielleicht hörte ich auch zuerst einen Bericht im Radio über den Jacobsweg und erkannte es dann als Zeichen. Jedenfalls, noch abends war der Familienrat einberufen und meine Auszeit abgesegnet. Am nächsten Tag wurde mein Antrag auf 6 Wochen Überstundenfreizeit genehmigt und abends schnell die Flüge gebucht. Ja, der Anfang war gemacht. Kein zurück.

Es galt noch einiges zu organisieren. Der Rucksack war schnell gepackt. Bewaffnet mit der Küchenwaage ging ich nun durch das Leben. Ralph´s Packlistenkommentare sorgten für den Feinschliff. Lediglich Trekkingschuhe fehlten noch. Und hier sei gesagt - sie müssen sofort passen. Finger weg von Schuhen, die sich noch einlaufen müssen! Noch am letzten Tag besorgte mir mein Mann ein Regenponcho mit Rucksackfach. Der Glückskauf – denn, nie
wieder ohne :). Ja, ich oute mich als Ponchofan. Ich sprang in grün bei Regen durch die Landschaft wie Rumpelstielzchen.

So, nun saß ich im Flieger und tausend Dinge gingen mir durch den Kopf. Während einige
Freunde sich für meine Auszeit freuten: „Toll, wolltest du doch immer schon mal machen.
Hab Spaß und genieße den Weg“. Waren auch andere Stimmen da: „Das kannst du nicht machen – ganz allein – und deine Familie?“ Nun fragte ich mich was ich hier machte. Also,
ich hatte Muffensauen vor meiner eigenen Courage. Evtl. doch einfach ein Zimmer an der Küste und auf das Meer schauen? Wie kommt man allein auf dem Camino mit deutsch und veraltendem Schulenglisch zurecht? Es sein vorab gesagt – BESTENS.


Im Zubringerbus in die Stadt sprach mich eine Spanierin auf meine Pilgermuschel an. So war ein heiterer Meinungsaustausch mit 6 Mitfahrer in spanisch und deutsch im Gange und mir wurde gleich der Weg zum Bustickethäuschen erklärt und Mut zugesprochen. Fremde Menschen - das fing ja sagenhaft an. Jepp, jetzt ging es schon etwas besser. Neugierig schaute ich mir aus dem Bus die Landschaft an. Ob ich hier vorbei wandern werde? Die Fahrt ging über Schnellstraßen und Autobahnen und war problemlos. Ich wurde nicht grün.

Endlich: Pamplona. Ein schöne Stadt, voller Menschen und Autos und Hektik und Gucchitaschen. Die Arbeit der letzten Wochen hatte mir doch zugesetzt, die Aufregung und und ... Nur raus hier. So machte ich mich abends auf den Weg. Die 5 km waren doch noch zu schaffen. Immer den Muscheln auf dem Gehweg entlang. Ging das so einfach? Ja, es ging. Ein Gefühl von Freiheit machte mich glücklich. Ich musste keinen fragen, keine Rücksicht auf „Wann gibt es was zu essen und wo schlafen wir“. Einfach der Nase nach mit Bauchgefühl.

Fortsetzung folgt ....
 
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hey,
so schnell und gleich soviel!
ja, da kommen sofort die erinnerungen an mein ankommen in pamplona hoch.

du, danke für die blumen, wg. dem feinschliff, kann mich dadran überhaupt nicht erinnern, dich "geschliffen" zu haben. ;)
bin gespannt, wie es weitergeht, freu mich drauf.
bis dann,
herz lich ralph

edit sagt: ponchos sind einfach spitze :D vor allem grüne
 

Snoopy99

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Meine Wegbegleiter

In der ersten Herberge bekam ich das vorletzte Bett im Frauensaal. Das Küchenhaus war voller fröhlicher und lärmender Menschen. Dieses war heute nicht mein Ding. So saß ich draußen auf einer Bank, schaute in den Sternenhimmel und mümmelte meinen Proviant. Einen Augenblick später setzte sich eine Frau zu mir; wir teilten unseren Proviant und schauten wortlos in die Sterne. Wenig später machten sich im Schlafsaal meine Mitpilger für die Nacht fertig. Sie diskutierten über die erste Etappe und Ihren Muskelkater. Vor meinem Camino habe ich mehreren Hüttentouren unternommen und ich kann Höhenprofile lesen. Diese erste Etappe von JPDP wollte ich meinen untrainierten Knien Ende Oktober mit evtl. Schnee in den Pyrenäen nicht zumuten. Alles richtig gemacht. Über mir im Hochbett diskutierte eine Französin mit ihrer Freundin eifrig und tippte wild auf ihrem Smartphone herum. Ah, meine Begleitung beim Sternengucken - ah, sie konnte kein Englisch (ich kein Französisch). Plötzlich kam ein Kopf von oben herunter und ein strahlendes Gesicht wünschte mir eine „gute Nacht“ in englisch.

Ja, so sind die meisten Pilger. So habe ich sie erlebt:

· ein fröhliches/freundliches Miteinander

· familiär; große Freude, wenn man sich wieder trifft;

· jederzeit hilfsbereit – sei es mit Schokoladen oder Wasser, wenn man sich schlapp den Berg hochschleppt oder mit Blasenpflastern

· miteinander, soll heißen Selbstversorger kochen gleich für eine ganze Truppe, jeder fasst mit an, macht den Abwasch, deckt den Tisch.

· reden, schweigen oder zuhören, wie es jeder gerade braucht.


Ja, ich hatte großes Glück. Der Weg forderte gerade so viel, wie ich geben konnte und gab mir unbeschreiblich viel. Sternenkinder kamen, wenn ich sie brauchte. Im Nachhinein war alles genau richtig wie es kam.


Fortsetzung folgt...
 

Snoopy99

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Im Land der Herzlichkeit

Die Menschen machten den Weg zu einem einzigartigen Erlebnis. Von meinen Wegbegleitern habe ich schon berichtet. Jetzt kommen wir zu den Bewohnern rechts und links des Weges. Die Spanier sind ein temperamentvolles, gastfreund-liches, lautes und quirliges Volk. Am Wegesrand wurde ein „Hola“ mit freundlichem Lächeln immer erwidert. Ich fühlte mich, außer in den großen Städten, willkommen. In den ersten Tagen war ich morgens noch sehr unruhig, getrieben und wollte auch gleich los. Die Gelassenheit kam mit der Zeit. In der Morgendämmerung habe ich den Wegweiser übersehen und rannte so in die falsche Richtung. Schulkinder riefen und zeigten in die richtige Richtung. Als ich dann an der nächsten Kreuzung schon wieder falsch abbiegen wollte, nahmen sie mich ungefragt in die Mitte redeten fröhlich in einer mir unbekannten Sprache auf mich ein und zeigten mir an der nächsten Muschel die richtige Richtung. Ein Tag zuvor fragte mich ein Spanier in Logrono, ob ich nach Santiago wolle. Als ich das bejahte, drückte er meine Hand und wünschte mir Bon Camino und Gottes Segen auf meinem Weg. Ein anderes Mal saß ich etwas abgekämpft an einem Brunnen und mümmelte meinen Proviant als eine Spanierin mir einen Kaffee brachte und sich zu mir in der Sonne setzte. Die Menschen waren herzlich und offen. Es fiel mir täglich leichter, mich darauf einzulassen. Dieses war ich nicht gewohnt – werde es aber hoffentlich beibehalten. Je länger ich unterwegs war, um so mehr lernte ich wieder aufmerksam meine Welt um mich wahr zu nehmen. Ich genoss Land und Leute jeden Schritt. Mein Schulenglisch und die 3 Brocken Spanisch kamen mir immer flüssiger von den Lippen und mit einem Lächeln, Händen und Füßen kam ich immer weiter. Es ist eben die Frage, ob man verstehen will. Die Spanier wollten. Dieses ist nicht auf jedem Pilgerweg so. Auf dem französischen Pilgerweg habe ich nicht so positive Erfahrungen gesammelt. Dieses ist aber ein andere Weg und ein anderes Thema.


Fortsetzung folgt ...
 

Donnersohn

der Pilgervirus hat mich erwischt
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Oh Mann, das deckt sich mit meinen Erfahrungen in Portugal. Da bekomme ich feuchte Augen, wenn ich das lese und meine Erinnerungen wieder hoch kommen. Ich war das erste Mal gänzlich ohne Planung und ohne Führer unterwegs. Nur mit dem Herbergsverzeichnis aus Paderborn. Da wusste ich nur, wie weit es bis zur nächsten Herberge ist. Den Weg musste ich alleine finden und da sind mir ebensolche Dinge passiert, die Leute achten auf einen. Fantastisch. Weiter so...
 

derbonsai

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ja bitte
ich habe die gleichen erinnerungen
er gab soooo viel , der weg
 

Snoopy99

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Ja, einen Fortsetzung steht noch aus. Es wird im Winter vielleicht so weit sein. Jetzt steht erst mal der Camino Primitivo an.
 
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Beate

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Hallo Snoopy,
finde Deine Berichte toll, bin meine ersten Pilger-,Wander-Wege auch alleine gegangen, wurde von allen Seiten gewarnt, nur meine Familie hat mich unterstützt,
sie sagten immer, falls du in Schwierigkeiten kommst, ruf an, wir kommen.
Bei mir war es damals, Abenteuerlust.Die Erfahrungen in Frankreich waren mir nicht in guter Erinnerung, abgehakt.,
Bei Deinem Bericht kommen Erinnerungen wieder nach oben, meist Positive, vor allem die Eindrücke von den Spaniern und den Mitpilgern.

Habe im Moment Zeit, Berichte, Bücher, etc. lesen, darum habe ich Vergleichsmöglichkeiten, Deiner ist einfach, GUT.
Aus welchem Jahr war Dein Spanien-Bericht.
bei Deinem Bericht
Buen Camino
Beate
 
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Snoopy99

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Danke für die lieben Worte Beate,
ich bin von Ende Oktober bis Ende November 2015 gelaufen. Ist noch gar nicht soooo lange her. Die Wege verändert sich aber so schnell. Letztes Mal kaum Infrastruktur - nun Luxuspilgern. Schön, dass du dich trotz allgemeiner Ablehnung selbst ein Urteil gebildet hast und losgelaufen bist. Bist du jetzt auch süchtig? Frankreich war auch nicht mein Land. Was hat dich gestört?
Herzlichst
Elke
 
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der_lahme_Pilger

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Die Wege verändert sich aber so schnell. Letztes Mal kaum Infrastruktur - nun Luxuspilgern.

Gestattet mir die Frage was zum Henker sind Luxuspilger?

Ich habe diesen Begriff schon öfters gelesen doch was sind das für Personen diese Luxuspilger?

Sind wir nicht alles Luxuspilger?
Ich meine wir laufen mit schnell trocknender Funktionskleidung. Wie laufen alle mit Handy / Smartphone oder Kameras, manche sogar mit beidem.

Wir laufen mit hochmodernen Rucksäcken und können uns täglich über eine Dusche mit warmen oder auch heißem Wasser und auch über ein leckeres Menü freuen und dann auch abends noch über ein bequemes Bett.

Mir wurde mal mitgeteilt das Pilger die in einem Hotel nächtigen keine Pilger seien, meine Antwort darauf war das die Pilger welche mit Gepäck Pilgern keine echten Pilger seien denn ein echter Pilger würde ausschließlich mit den Klamotten am Leib und dem Gewicht einer Bibel den Weg begehen.

Diese Antwort stieß nicht auf gefallen doch war das Thema damit auch durch, eigentlich hätte ich mit einer Erwiderung dass auch ich dann kein echter Pilger sei gerechnet doch diese kam nicht ;-).

Somit sei mir die Frage gestattet, was sind Luxuspilger?
 

Snoopy99

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Hallo @der_lahme_Pilger ,

ich habe nicht von Luxuspilger sondern von Luxuspilgern gesprochen. Es tut mir leid, wenn ich dir damit irgendwie zu nah getreten bin. Wie man aus dem Zusammenhang sehen kann, wollte ich damit auf die Veränderungen im Laufe der Zeit aufmerksam machen. Herbergen mit Pool, Sauna, Regendusche oder hochmodern eingerichteten Küchen sind für mich Luxus. Jeder soll den Weg gehen, wie er mag und die Frage nach "echte Pilger" stellt sich mir nicht.
 

SYates

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Lach, macht ja nichts! Passiert mir die ganze Zeit! Tschechische Tastatur, schlechte Augen und dann auf deutsch schreiben - wundert Euch über nichts was von mir kommt ;-) BC SY
 
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servus,

au ja, ich auch, ich auch :rolleyes:
ohne den „intelligenz-verstärker - brille genannt - geht nix mehr.
aber ich bin ja auch ein alter muli:)
<3lich ralph
 

der_lahme_Pilger

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Nein @Snoopy99 mir tut es Leid wenn ich mich ungünstig ausgedrückt habe.

Es sollte kein Angriff auf dich werden, ich hatte nur dieses ewige Luxuspilger / Luxuspilgern auch im anderen Forum so oft gelesen das ich nun einfach mal nachfragte ;-).

Sollte ich dich somit ungewollt angegriffen haben so entschuldige ich mich hierfür denn dieses lag nicht in meiner Absicht.


Dennoch, die Frage ist gestellt und was ist nun so ein Luxuspilger oder so ein Luxuspilgern und wie Qualifiziert man sich dafür?
 

Via2010

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Ich glaube, luxuspilgern definiert jeder anders.

Für mich bedeutet "pilgern" sich auf den Weg einlassen, wie er ist und nehmen was kommt.

Dementsprechend empfinde ich als Luxus:
- die Auswahl zwischen mehreren Herbergen, die nicht nur ein Dach über dem Kopf, eine Schlaf- und Wasch- und vielleicht noch Kochgelegenheit bieten
- nicht lediglich eine sättigende Mahlzeit, sondern die Auswahl zwischen mehreren Speisen (oder gar, wie kürzlich im englischsprachigen Forum diskutiert, den Besuch von mit Michelinsternen ausgezeichneten Restaurants am Weg)
- die Möglichkeit, den als zu schwer empfundenen Rucksack nicht nur durch Verzicht zu erleichtern, sondern ihn von Herberge zu Herberge transportieren zu lassen
- schnarchenden Mitpilgern durch Buchung ein Einzelzimmers entfliehen zu können
- den Sorgen um das abendliche Bett durch eine Reservierung entgehen zu können
- innerhalb der nächsten halben Stunde eine geöffnete Bar ansteuern und einen Café con leche oder eine Cerveza Clara trinken zu können
 
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